Ausstellung in Stuttgart

Das Schwimmbad als Spiegel der Gesellschaft

Stand
Autor/in
Silke Arning
Moderatorin Silke Arning

Baden war früher ein Luxus, heute sind Bäder demokratische Orte. Eine Sonderaustellung im Haus der Geschichte widmet sich den Konflikten, die dort ausgetragen werden.

Es gibt sicher Stücke in der Ausstellung „Frei Schwimmen – Gemeinsam?!“, die spektakulärer sind, doch das Foto eines Tübinger Bads von 1868 erscheint aus heutiger Perspektive  atemberaubend absurd. Man sieht den Neckar, am Ufer eine Reihe menschenhoher, geschlossener Bretterverschläge.

Dahinter sollten Frauen baden können. Kurator Sebastian Dörfler erklärt, wie das ablief:

Der Bretterverschlag war in den Fluss reingebaut. Da konnte man die Tür zu machen. Die Frau musste trotzdem noch ein langes Wollkleid anhaben und dann konnte sie hier eintauchen und wieder rausgehen.

Modernes Schwimmen mit Duschkäfig aus dem Saunabereich des Stadtbades Heslach, 1929, (li) und Personenwaage
Modernes Schwimmen mit Duschkäfig aus dem Saunabereich des Stadtbades Heslach, 1929, (links) und Personenwaage.

Badeanstalt für Männer in Tübingen schon ab 1851

Wirklich schwimmen konnten die Frauen in diesem Freibad, in ihrem Bretterverschlag, nicht. Anders die Herren, die in Tübingen schon 1851 eine „Akademische Bade- und Schwimmanstalt“ bekommen hatten – mit Sprungturm und Liegewiese.  

Ein Genuss, den sich manche Frau auch gern gegönnt hätte: Die Schriftstellerin Isolde Kurz wollte in den 1870er-Jahren ebenfalls das Freibad nutzen. In ihren Memoiren notierte sie, dass man Frauen das Nutzen von Freibädern versagte, weil es „die Fantasie der männlichen Jugend“ vergifte, „wenn vor ihnen Frauen in demselben Wasser waren.“

Fürstlicher Badespaß: Sitzwanne aus dem Herrenbad im König Karlsbad, Bad Wildbad, um 1910
Fürstlicher Badespaß: Sitzwanne aus dem Herrenbad im König Karlsbad, Bad Wildbad, um 1910. Bild in Detailansicht öffnen
Modernes Schwimmen mit Duschkäfig aus dem Saunabereich des Stadtbades Heslach, 1929, (li) und Personenwaage
Modernes Schwimmen mit Duschkäfig aus dem Saunabereich des Stadtbades Heslach, 1929, (links) und Personenwaage. Bild in Detailansicht öffnen
Eine Tür zeigt den Eingang zu einem Damenbad.
Geschlecht spielte schon immer eine entscheidende Rolle bei Baden. Bild in Detailansicht öffnen

Schwimmen als Geschichte der Frauenemanzipation

Es sollte noch einige Jahrzehnte dauern, ehe sich die Frauen ihren Platz in Schwimmhalle und Becken erobern konnten. Begünstigt durch ein neues Verständnis von Hygiene und sportlicher Ertüchtigung, entstand nach dem Ersten Weltkrieg in Mannheim die modernste und luxuriöseste Badeanstalt in Deutschland – für beide Geschlechter mit Dampfbad und Massageräumen.

„Das Schwimmen ist eine Geschichte der Frauenemanzipation“, meint Cornelia Hecht-Zeiler, Direktorin vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Man müsse sich immer wieder klar machen, dass diese Freiheiten erkämpft sind und verteidigt werden müssen. „Wie Freiheit generell.“

Der Streit um die angemessene Badekleidung

Wer wie bekleidet ins Wasser darf, ist bis heute heiß umstritten.

Unter den Ausstellungsstücken ist beispielsweise ein schwarzer „Burkini“, einen Ganzkörperbadeanzug für Muslima. „Eine Dame aus Konstanz hat ihn 2013 gekauft und wollte damit ins Schwaketenbad. Man hat sie nicht reingelassen", erklärt Kurator Sebastian Dörfler.

Man habe ihr vorgehalten, dass es die Badeordnung nicht erlaube. Andere Gäste könnten sich bedroht fühlen, wenn sie einen Burkini trage. „Zu verhüllt ist verboten, Oben-ohne-Baden ist aber auch wieder nicht recht.“ Es stelle sich immer wieder die Frage, so der Kurator: Wer legt das eigentlich fest?

Baden im „Burkini“? Ganzkörperbadeanzug von Filiz Acar-Chebli, 2013
Baden im „Burkini“: Ganzkörperbadeanzug von Filiz Acar-Chebli, 2013.

Geschichte der Segregation in Bädern

Diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Ausstellung. Im 19. Jahrhundert war das Schwimmen vor allem eine Frage des Geldes. So erzählt eine imposante Messingwanne vom Glanz fürstlicher Mineralbäder in Bad Wildbad.

Die Nazis propagierten das Volksbad für Alle, schlossen gleichzeitig aber die jüdische Bevölkerung aus.  

In den 1950er-Jahren entstanden in Konstanz und Radolfzell spezielle Versehrtenbäder, weil man die vom Krieg gezeichneten Körper nicht bloßstellen, aber auch nicht der Öffentlichkeit  zumuten wollte.

Wer wird wie ausgeschlossen?

Und heute macht ein überzogener Körperkult das Schwimmen zum Spießrutenlauf für alle, die mit ihrer Figur nicht dem sportlich schlanken Ideal entsprechen. Schwimmbäder sind eben ein Spiegel der Gesellschaft, meint Museumsdirektorin:

In einer vielfältigen Gesellschaft muss es eine gewisse Toleranz für andere Lebensweisen geben. Auf der anderen Seite hat Freiheit natürlich auch immer Grenzen. Und die müssen dann auch verhandelt werden von Gesellschaft.

In einer reduzierten, ästhetisch sehr gelungenen Inszenierung präsentiert sich diese neue Ausstellung. Der Ausstellungssaal, der sich in verschiedene Kapitel auffächert, ist in elegantes Schwarz gehüllt. Über die Decke kräuseln sich blaue Wasserlinien.

Wirklich überraschend Neues steckt jedoch nicht hinter der Botschaft dieser Ausstellung. Aber in Zeiten, in denen öffentliche Bäder aus Spargründen nicht mehr saniert und geschlossen werden, ist es umso wichtiger, an die Bedeutung dieses Kulturorts zu erinnern, an dem Gemeinschaft gelebt und ausgehalten werden muss.

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