Shakespeares „Sommernachtstraum“ ist ein beliebter Bühnenklassiker, auch an Schulen. Das Stück handelt von schwärmerischer Liebe, Verkleidung und den Regeln, die von Erwachsenen gemacht wurden: Wer mit wem zusammen sein darf zum Beispiel. Was muss passieren, damit die Jugendlichen sich trauen, ihre Masken für kurze Momente tatsächlich fallen zu lassen? Jetzt in der Arte-Mediathek: „Freies Spiel“.
Ein Vertretungslehrer bittet zur Auseinandersetzung mit Shakespeare
Probe der Theater-AG in einem französischen Gymnasium, vertretungsweise mit einem neuen Lehrer. Die Truppe von zehn Schülerinnen und Schülern geht engagiert, aber auch routiniert zu Werke.
Ihr Lehrer unterbricht sie und fragt, was sie ihm zum „Sommernachtstraum“ von Shakespeare sagen können, einem Stück, das von Liebeswirren um junge Leute am Athener Hof handelt.
Sie rede wie ein Wikipedia-Artikel, sagt der Lehrer zu einer Schülerin und beginnt, die Rollen neu zu verteilen. Was Milla, die die Rolle der Hermia gelernt hat, gar nicht passt.
Wunderbar gecastete Jungdarsteller
Letztendlich geht es dem Lehrer darum, Emotionen herauskitzeln, sie zu formen, den Körper ganz Ausdruck werden zu lassen, ohne lange zu überlegen. Nachdem er die ersten verschämten Widerstände überwunden hat, steht der Lehrer oftmals wie ein Dirigent mit ausgestreckten Armen zwischen seinen Schützlingen. Er pusht und provoziert, lobt oder fragt, ob er zu weit gegangen ist.
Der Vertretungslehrer wird von Regisseur Julien Gaspar Oliveri gespielt. Die wunderbar gecasteten jugendlichen Schauspielerinnen und Schauspieler treten unter eigenem Namen auf, was dem ganzen einen quasi dokumentarischen Charakter gibt.
Eine Synchronisation der kurzen Episoden wäre wohl unverhältnismäßig gewesen und auch schade, denn das französische Original kommt direkter, ungefilterter rüber und ist mit deutschen Untertiteln auch problemlos verständlich.
Es geht um essentielle Lebensfragen
Die acht kurzen Episoden wirken absichtlich unfertig, improvisiert, stürzen gleich ins Geschehen. Sie werden nicht von einem großen Intro aufgehalten, sondern signalisieren nur mit einem einzigen dramatischen Streicher-Sound, dass es losgeht: minimalistisch und pur.
Das passt. Denn auch in dieser Probenarbeit geht es nicht darum, Szenen aufzubauen oder Figuren einzustudieren, sondern um die Essenz. Fragen, die von der Bühne ins Leben reichen: Wer bin ich? Wie fühle ich? Wie transportiert mein Körper, das was in mir vorgeht, nach außen.
Der Lehrer lässt sie rennen und schreien, spielen und ausprobieren. Aber er duldet keine Pose und keine Gleichgültigkeit. Das wirkt mal therapeutisch, mal eher übergriffig. Dennoch erschafft der Lehrer innerhalb der Gruppe einen Schutzraum, in dem sich alle öffnen können, auch wenn sie es nicht im gleichen Maß schaffen.
Erste Folge von „Freies Spiel“ (ARTE-Mediathek)
Fordernde Hommage an die Adoleszenz
„Ceux qui rougissent“, „Die, die rot werden“. So kann man den Originaltitel wörtlich übersetzen. Es ist, wie die ganze Serie, eine zarte, aber auch fordernde Hommage an die Adoleszenz. Dabei wird das Theater zu einem Vehikel der Humanität und die schmucklose Turnhalle zu einer Bühne, die sich vielleicht viele Jugendliche wünschen würden, um ihren angestauten, verschütteten oder gerade erst entdeckten Gefühlen Raum zu geben.