Bühne

Platte Kapitalismuskritik – Tom Kühnel inszeniert „Die rote Mühle“ am Badischen Staatstheater

Stand
Autor/in
Marie-Dominique Wetzel

Schon die 100 Jahre alte Original von Ferenc Molnár ist scharfe Kapitalismuskritik. In der Karlsruher Uraufführung der Neufassung von Nis-Momme Stockmann betreibt eine Firma Greenwashing und korrumpiert ihre Angestellten. Doch in der Inszenierung von Tom Kühnel gerät Stockmanns Parabel viel zu holzschnittartig und zu simpel.

Molnárs Original spielt in der Hölle und die Teufel brauchen eine Psycho-Korruptor-Maschine, um einen unbescholtenen jungen Mann zu korrumpieren.In der Neufassung von Nis-Momme Stockmann ist der Protagonist ein netter „Loser“ namens Noel, der sich mit einem dicken Gehaltsscheck von der Firma „ForNa.tech“ kaufen lässt, die vorgibt, „Green Economy“ zu betreiben. Noel kann den Verlockungen eines unverschämt hohen Gehalts nicht lange widerstehen. Und es stellt sich heraus, dass er ganz hervorragend zu ForNa.tech passt: er ist kreativ und denkt unkonventionell.

„Die rote Mühle“ am Badischen Staatstheater Karlsruhe
Selbst Noel (Jannek Petri, rechts), dieser nette Loser, findet Gefallen am Erfolg und seiner neuen Machtposition bei „ForNa.tech“. Doch als bei dem Test für ein neues Hautprodukt durch seine Schuld sein Freund Bismarck stirbt, erkennt Noel, was er angerichtet hat und bereut.

Original von 1924: Ferenc Molnárs Stück „Die rote Mühle“

Ferenc Molnár hat sein Stück „Die Rote Mühle“ 1923 geschrieben, Nis-Momme Stockmann seine Überschreibung 100 Jahre später. Auch der Kapitalismus hat sich in der Zeit rasant verändert. Molnárs Original spielt in der Hölle und die Teufel brauchen eine Psycho-Korruptor-Maschine, um einen unbescholtenen Förstersburschen zu korrumpieren.

„Die rote Mühle“ am Badischen Staatstheater Karlsruhe
Oberteufiln Yella (Swana Rode), Research and Development bei „ForNa.tech“, beschwört Noel (Monitor)

Firmen-Chefin stolziert als Teufelin auf Highheels über die Bühne

Im Zentrum von Stockmanns Kapitalismuskritik steht ein Unternehmen, das vorgibt, Green Economy zu betreiben. Und bei Stockmanns Überschreibung gibt es auch keine Korrumpiermaschine mehr, das funktioniert heutzutage subtiler. Doch statt das zu entlarven, macht Regisseur Tom Kühnel aus der Firmen-Chefin eine weibliche Teufelin, die im hautengen Kostüm auf Highheels herumstolziert und sich lasziv auf dem Sofa räkelt – da war man am Schauspiel Karlsruhe schon mal deutlich weiter!

Lächerlich, die Bösen mit Teufelshörnern zu kennzeichnen

Überhaupt ist es lächerlich, alle Bösen – samt Chor - mit Teufelshörnern zu kennzeichnen. Denn das ist doch gerade das Perfide: dass man heute aufgrund der hochkomplexen Strukturen einer globalisierten Wirtschaft – noch weniger leicht als vor hundert Jahren - Gut und Böse auseinanderhalten kann.

„Die rote Mühle“ am Badischen Staatstheater Karlsruhe
Jannik Süselbeck als Mitarbeiter mit Teufelshörnern der ominösen Firma „Fornatech“

Kapitalismus-Kritik zu holzschnittartig

Nis-Momme Stockmann kritisiert, dass wir versuchen, den Kapitalismus grün anzustreichen, um mit gutem Gewissen weiter den Planeten und Menschen im globalen Süden ausbeuten zu können. Recht hat er, aber in der Strichfassung und Inszenierung von Tom Kühnel gerät Stockmanns Parabel viel zu holzschnittartig und zu simpel. Wenn man möchte, dass das Publikum wirklich ins Grübeln kommt, muss man schon etwas klüger vorgehen!

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