Das Heidelberger Publikum wird sein Theater nicht mehr wiedererkennen: Die Hauptbühne verwandelt sich in eine Piazza mit Cafétischen, die Seitenbühne in einen Flugzeugbauch. Der renommierte Bühnenbildner Sebastian Hannak hat es für die Inszenierung eines Fellini-Skripts in eine fantastische Filmkulisse umgebaut. Ein immersives Theatererlebnis!
Fellini als hautnahes Schauspiel-Spektakel
Eine Piazza auf der Hinterbühne? Tatsächlich: vor uns öffnet sich ein großer Platz mit vielen, kleinen Café-Tischen und Stühlen und rundherum stehen lauter alte, klassizistische Häuser. Naja, zumindest sieht es so aus.
In Wahrheit sind es natürlich nur die Fassaden, die auf riesige Prospekte gedruckt wurden. Aber da sie jeden Quadratmeter der großen Hauptbühne, von der Decke bis zum Boden, bedecken, wirkt die Szenerie erstaunlich echt. Fast wie eine Filmkulisse.
Das war natürlich naheliegend, wenn man ein Filmskript von Fellini auf die Bühne bringt, sagt Bühnenbildner Sebastian Hannak: Statt Film-Realismus habe er versucht, eine Formensprache zu finden, die immer etwas Geträumtes und Surreales habe.
Tiefer Griff in die Theater-Trickkiste
„Die Reise des G. Mastorna“ ist schließlich eine Reise in eine andere Welt, in eine Art Zwischenwelt zum Jenseits. Die Hauptfigur, der Musiker Giuseppe Mastorna, ist nämlich mit einem Flugzeug notgelandet. Nun findet er sich in einer Stadt wieder, die ihm gleichzeitig vertraut und doch fremd erscheint.
Er begegnet lauter seltsamen Menschen und erlebt viele merkwürdige Situationen. Wie geschaffen fürs Theater mit all seinen Verwandlungsmöglichkeiten. Und so haben Sebastian Hannak und das Produktionsteam tief in die Theater-Trickkiste gegriffen. Die Notlandung des Flugzeugs kann ein Teil der Zuschauer sozusagen miterleben. Sie werden gleich zu Beginn des Stücks in einen abgetrennten Bühnenraum gebeten.
Immersives Erlebnis gerade für junges Publikum
Es gebe eine Art Einlass-Prozedere mit Personal, das an Stewardessen erinnern, verrät Hannak. Es kommt für das Publikum zu Turbulenzen auf dem Flug und sie finden sich schließlich im Theater-Erlebnis auf der Piazza wieder.
Das heißt, die Zuschauerinnen und Zuschauer erleben das Geschehen von verschiedenen Perspektiven mit und sind hautnah mit dabei. So entsteht quasi ein immersives Erlebnis. Gerade für jüngere Menschen dürfte das besonders spannend sein, meint Sebastian Hannak. Denn die haben durch die Mediennutzung ganz andere Sehgewohnheiten und lassen sich so vielleicht eher mal zu einem Theaterbesuch verführen.
Sebastian Hannak durfte den Theatersaal umgestalten
Für Sebastian Hannak ist es eine tolle Möglichkeit, das Theater Heidelberg für diese Produktion komplett umzugestalten: Er durfte zwei Bühnenkomplexe zusammenlegen, die gesamte Technik umbauen. Das Heidelberger Publikum wird sein Theater kaum wieder erkennen.
Aber trotz neuer Raumkonzepte: Sebastian Hannak setzt auf die Illusionskraft des Theaters, auf die Fantasie der Zuschauer. Und Dank ausgefeilter Video-, Licht-, und Soundtechnik wirken auch scheinbar „alte“ Theatertricks im Liveerlebnis einfach nur magisch.
Plötzlich geht hinter uns die Nebelmaschine an und die Hauptfigur Giuseppe Mastorna schwebt wie auf Wolken von der Bühne.
Mehr Produktionen am Theater Heidelberg
Kämpferisch und lustvoll Starker Auftakt des Iberoamerikanischen Theaterfestivals ¡Adelante! am Theater Heidelberg
Das Eröffnungs-Stück „Aurora Negra“ war nicht nur ein beeindruckender Auftakt des diesjährigen „Adelante“-Festivals, sondern auch eine starke inhaltliche Setzung.
Theater Heidelberg Der Alltag als Hölle – Uraufführung von „Meine Hölle“ der ukrainischen Hausautorin Oksana Savchenko
Helena, ehemalige Kunstlehrerin aus Heidelberg, und ihr Sohn Luka haben Olena und Tochter Marysja aus der Ukraine in ihr Haus aufgenommen. Zuerst findet man die Unterschiede noch amüsant, doch nach und nach wird das Zusammenleben unerträglich. Auch wenn die Inszenierung von Simone Geyer nicht überzeugt, ist „Meine Hölle“ von Oksana Savchenko dennoch auch ein wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte