Theater Heidelberg

Der Alltag als Hölle – Uraufführung von „Meine Hölle“ der ukrainischen Hausautorin Oksana Savchenko

Stand
Autor/in
Marie-Dominique Wetzel

Helena, ehemalige Kunstlehrerin aus Heidelberg, und ihr Sohn Luka haben Olena und Tochter Marysja aus der Ukraine in ihr Haus aufgenommen. Zuerst findet man die Unterschiede noch amüsant, doch nach und nach wird das Zusammenleben unerträglich. Auch wenn Stück und Inszenierung nicht ganz überzeugen, ist „Meine Hölle“ von Oksana Savchenko dennoch ein wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte

Anfangs ist es noch lustig, dann wird es aber albern

Anfangs ist es noch ganz lustig, wenn uns die Autorin Oksana Savchenko den Spiegel vorhält und sich übers strikte Mülltrennen, penible Ruhezeiten und Pappmaché-Eier in einem veganen Haushalt lustig macht – es wird dann aber leider auch schnell albern und auch unpassend - denn es geht ja eben nicht nur um einen „Mentalitätsclash“, wie es im Programmheft heißt, sondern Olena und Marysia kommen schließlich aus dem Krieg, mussten ihre Heimat und ihre Liebsten verlassen.

Uraufführung "Meine Hölle" am Theater Heidelberg
Aufgereiht stehen sie am Bühnenrand: Helena und ihr Sohn Luka (rechts) aus Heidelberg, Olena und ihre Tochter Marysja aus der Ukraine sind alle in ihrer jeweiligen Welt verhaftet – und das wird sich im Laufe des Stücks auch kaum ändern.

Inszenierung von Simone Geyer bleibt in der Farce stecken

Dieser krasse Kontrast zu den lächerlichen Problemchen unseres gesättigten, deutschen Alltags, könnte das Stück ausmachen, aber größtenteils bleibt die Inszenierung von Simone Geyer leider in der Farce stecken. Es gibt wenige Kipp-Momente, bei denen einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Etwa wenn Olena erklärt, warum sie kein gebratenes Fleisch mehr riechen kann.

Uraufführung "Meine Hölle" am Theater Heidelberg
Krasse Kontraste: Die Realität der geflüchteten und die lächerlichen Problemchen des gesättigten deutschen Alltags. Helena (Nicole Averkamp), Marysja (Kateryna Kravchenko) und Olena (Vladlena Sviatash)

Videosequenzen zeigen die Alpträume der Geflüchteten

Aber dann kommt noch eine zweite Ebene in das Stück hinein. Olena hat seit Tagen nichts von ihrem Freund gehört, der als Soldat kämpft, und wird vor Angst ganz verrückt. Und deswegen merkt sie gar nicht, dass ihre Tochter kaum mehr etwas isst, total abmagert und von Alpträumen geplagt wird. In Videosequenzen auf der Bühnenrückwand sieht man Marysja in Großaufnahme, wie sie in ihren Angst-Träumen versucht vor ihren Peinigern davon zu rennen, die sie gewaltsamen Verhören unterziehen.

Dass nach diesen stärkeren Momenten dann aber noch die Probleme des Muttersöhnchens Luka ausgebreitet werden, tut der Inszenierung nicht gut. Vom nervigen Nachbar Paul, der alle mit seinem Pochen auf die Einhaltung der Ruhezeiten drangsaliert, mal ganz zu schweigen.

Uraufführung "Meine Hölle" am Theater Heidelberg
Auch Muttersöhnchen Paul (Simon Mazouri) hat seine Problemchen

Trotz allem ein wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte

Auch wenn die Konzeption des Stücks nicht überzeugt, ist es dennoch ein wichtiger Theaterabend. Denn wann erfahren wir schon mal, wie es den aus der Ukraine geflüchteten Menschen hier inzwischen in unserem Alltag geht? Denen, die hier zwar in Sicherheit leben, aber ihre schrecklichen Erlebnisse auf der Flucht nicht einfach abschütteln konnten und tagtäglich mit der Angst um ihre geliebten Familienangehörigen und Freunde in der Ukraine fertig werden müssen?

Und zudem geht der Text auch der interessanten Frage nach, wie sinnvolle Hilfe unsererseits in Deutschland aussehen könnte.

Das Theaterstück „Meine Hölle“ ist damit auch ein wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte.

Stand
Autor/in
Marie-Dominique Wetzel