Seit mehr als 30 Jahren steht Hannes Ringlstetter als Kabarettist, Schauspieler und Musiker auf der Bühne. Seit 2016 ist er Gastgeber einer eigenen Late-Night-Show im BR-Fernsehen und als "Yazid" Teil der TV-Serie "Hubert und/ohne Staller". Er tourt als Duo oder mit seiner Band durch Deutschland und Österreich.
Hannes Ringlstette: der Tod seines Vaters
Als er im Oktober 2022 die Nachricht bekommt, die er seit Jahren fürchtet, weiß Hannes Ringlstetter, was zu tun ist: Einen Steinpilz finden und seinem Vater auf die "letzte Reise" mitgeben.
Ab da [der Todesnachricht] gehst Du in diese Trance. Bei mir war's so, und das musst' ich auch erst lernen. Ich fand die Zeit davor, die letzten Wochen, total schwierig, weil ich da festgestellt habe, wie sehr ich in dieser männlichen Kontrolle lebe: Ich versuch', alles zu kontrollieren. Ich habe gemerkt: Dieses Sterben und alles – ich kann gar nichts kontrollieren. Es wird passieren, wie's passiert.
Der Steinpilz, den Ringlstetter am Todestag seines Vaters aus dem Wald holt: Jung und frisch, mit "Jahrtausende altem Waldboden" am Stiel. Und die Autofahrer, die ihm auf der Fahrt zum Vater entgegenkommen: Unterwegs auf ganz anderen Lebenswegen - symbolhafte Eindrücke, die bis heute fest verwurzelt sind in ihm.
Trauer, Gefühle, Ohnmacht, Loslassen: Lernprozess nach dem Tod
Hannes’ Vater stirbt am 4. Oktober 2022, die Beerdigung ist am 11. Oktober, zwei Tage später muss Hannes Ringlstetter eine Fernsehshow moderieren, "was heftig war", wie er sich erinnert. Die Trauerarbeit, die dann beginnt, so sagt er, war im Nachhinein betrachtet "eine schöne Entwicklung".
Ich hatte mich entschlossen, die Gefühle, das Traurigsein zuzulassen und dass ich nicht 'nur funktionieren' werde. Mir meine Freiräume nehme, wo ich traurig bin und mich zurückziehe. Das hat mir sehr gut getan.
Der Abschied vom Vater hat es ihm ermöglicht, sich dem Thema Sterben und Endlickeit neu zu widmen. Da hatte er schon beschlossen, über all das zu schreiben – zunächst einmal nur für sich selbst.
Auseinandersetzung mit Krankheit, Sterben und Abschied
Bis in den Sommer 2023 ist ihm das Schreiben nicht möglich, weil "zu viele Gefühle zu frisch" gewesen seien. Erst gut ein dreiviertel Jahr später sei der Abstand groß genug gewesen, um sich mit sich, seinem Vater, ihrer Beziehung und der Lebensgeschichte seines Vater auseinander zu setzen.
Da habe ich festgestellt, dass diese Trauer, ja, fast schon die Kränkung, dass man jemand verloren hat (das ist ja eine Frechheit!), dass man das umwandeln kann in ein positives Erleben, das voll ist von Möglichkeiten, den Umgang mit den Menschen zu verändern, mit denen Du BIST und mit denen Du LEBST.
Voller Wärme und Zuneigung schreibt Hannes Ringlstetter über seinen Vater. Über den letzten Willen und letzte Worte, über Krankheit, Sterben, Abschied und was es mit einem macht, wenn der einst so wortgewaltige "alte Herr" sich kaum mehr artikulieren kann.
Sterbeamme und Kabarettistin Karin Simon | 1.11.2023 Die Angst vor dem Tod nehmen
Karin Simon ist Sterbeamme und Kabarettistin. Beruflich bewegt sie sich immer zwischen Lachen und Weinen. Sie spricht über den Tod und kann auch darüber lachen.
Auseinandersetzung mit der eigenen Perspektive von Endlichkeit
Der Bühnenmensch Ringlstetter findet sich mit 54 Jahren in einer neuen Rolle wieder - nicht, dass ihm diese komplett fremd gewesen wäre, aber doch mit veränderter Perspektive. Er, der auf der Bühne und im Leben, so sagt er selbst, alles "vom Herzen und Bauch her" angeht, sich immer auf alles einlässt, der auf der Bühne die Menschen unterhalten will, ohne selbst Nabelschau zu betreiben, beschreibt das so:
Bei dem Buch war es etwas anders, weil es da um Wahrhaftigkeit geht. […] Da darfst Du auch über Gefühle und Ernsthaftigkeit schreiben. Wenn Künstler, auch im Entertainment, nicht mit Mitte 50 auch eine Ernsthaftigkeit und Tiefe kriegen – auch in der öffentlichen Wahrnehmung – dann irritiert mich das. Ich denk' immer, 'der Kasperl will ich nicht sein bis an mein Lebensende'.