Medienwissenschaftler Prof. Bernhard Pörksen

So wichtig sind Kommunikation und Zuhören in unserer gespaltenen Gesellschaft

Stand

Prof. Bernhard Pörksen ist einer der international profiliertesten Kommunikationsforscher. Sein großes Thema: Wie können wir uns besser verstehen, besser miteinander reden?

Prof. Bernhard Pörksen blickt in die Kamera. Warum können die Menschen heute offenbar nicht mehr empatisch miteinander reden, sich zuhören und gegenseitig verstehen? Das erforscht der Tübinger Medienwissenschaftler Prof. Bernhard Pörksen.  In SWR1 Leute sprechen wir mit ihm über sein Buch "Zuhören: Die Kunst sich der Welt zu öffnen".

Die gespaltene Gesellschaft: Warum verstehen wir uns nicht mehr? | Prof. Bernhard Pörksen | Medienwissenschaftler

Zuhören und miteinander reden sind die völlig elementarsten Dinge. Ohne das einander Zuhören ist alles nichts: keine Versöhnung, kein Gespräch, keine Debatte, kein respektvoller Streit.

Der Zirkusclown – eine Geschichte übers Zuhören

Wie schlecht wir Menschen manchmal zuhören und wie schnell wir darin sind, Botschaften misszudeuten, macht Bernhard Pörksen anhand der Geschichte des dänischen Philosophen Søren Kierkegaard über einen Zirkusclown deutlich:

Bernhard Pörksen: Meist hören wir das, was wir hören wollen

Noch kurz vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, hätten hochrangige Politiker:innen trotz aller Warnungen der Geheimdienste, die Bevölkerung beruhigt, da man nicht hören wollte, was es zu hören gab, so Pörksen. Dies sei keinesfalls als Vorwurf zu verstehen. Vielmehr handele es sich um einen allgemein menschlichen Mechanismus: "Wir wollen hören, was wir ohnehin glauben".

Entspricht das, was ein anderer sagt, meinen eigenen Auffassungen? Wenn dem so ist, dann sagen wir 'guter Mann' oder 'gute Frau'. Unsere eigenen Filter sind wahnsinnig dominant und wir hören in Wahrheit eigentlich nur uns selbst.

Wie wir besser zuhören können

Seit vielen Jahren beschäftigt Bernard Pörksen sich mit Kommunikation und Zuhören. Seine Schlussfolgerung: Wir müssen trainieren, "berührbar" zu sein. Dazu sei es wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem wir uns "unterbrechungsfrei einander zuwenden" können – je direkter und je weniger öffentlich, desto besser.

Ebenso wichtig sei, unsere eigenen Vorurteile erstmal in den Hintergrund treten lassen, nicht "sofort Bescheid zu wissen", auch, wenn wir den anderen scheinbar ad hock einsortieren können. Wir müssen "das Zögern lernen", ist Pörksen überzeugt.

Während wir auf der einen Seite also keine schnellen Vorurteile fällen sollten, haben diese auf der anderen Seite aber auch ihre Berechtigung, sofern wir das nötige Wissen haben. Haben wir uns mit jemandem wirklich beschäftigt, kennen dessen Reden, den Kontext, die Zusammenhänge und die Vorgeschichte – dann könne und müsse man durchaus auch vorurteilen.

Man muss Quatsch auch einfach Quatsch, Hetze einfach Hetze und Hass einfach Hasse nennen. Aber die Frage der Geschwindigkeit ist entscheidend.

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Missbrauch Skandal: Warum wurden die Opfer lange nicht gehört?

Fast zehn Jahre lang hat Bernhard Pörksen sich mit dem gigantischen Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule beschäftigt. Er ging der Frage nach, wie es dazu kam, dass man so lange nicht zugehört und nicht registriert hat, was vor allem Jungen in der Schule geschehen ist.

Bereits 1999 habe es einen Artikel über die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule in der Frankfurter Rundschau gegeben, der kaum registriert wurde. 2010 sei vom selben Reporter der mehr oder weniger selbe Artikel noch einmal in der Zeitung erschienen, der innerhalb kürzester Zeit für ein gewaltiges Medienecho sorgte. Erst durch die vielen Missbrauchsskandale in der Gesellschaft, sei eine neue Zuhörbereitschaft entstanden.

Die Gesellschaft lernt durch die tausendfachen Missbrauchsberichte aus Irland, den USA, Australien, eine neue Wahrnehmungsmöglichkeit kennen. Dann gibt es so einen Kipp-Punkt der Wahrnehmung: Auf einmal hört die Gesellschaft zu. Das ist ein sehr berührender Moment.

Propaganda: Angst verhindert Zuhören

Ängste erzeugen oder Verwirrung stiften, sind Propaganda-Strategien, die beispielsweise Russland nachweislich wählt, um die europäische Union zu destabilisieren, so Pörksen. Wenn eine Debatte entgleist und am Ende alle aufeinander einbrüllen, ist Zuhören kaum noch möglich.

US-Präsident Donald Trump nutze die Strategie, Nonsens und Quatsch in die öffentlichen Kanäle zu spülen. Dies wecke irgendwann die Sehnsucht nach "dem starken Mann", der mit großer Durchsetzungswut endlich wieder für Klarheit und in gewissem Sinne "für Ruhe" sorgt.

Neue Kommunikation: die Vernetzung der Welt

Mit der kompletten Vernetzung der Welt, befinden wir uns, nach der Erfindung der Schrift und der Erfindung des Buchdrucks, in der dritten großen Kommunikationsrevolution der Menschheitsgeschichte, sagt Pörksen. Er plädiert für eine behutsamere und optimistische Weltbetrachtung.

Pessimismus ist Zeitverschwendung. Und wenn es wirklich schiefgeht, hat der Optimist, bis es so weit ist, immerhin das bessere Leben gehabt.

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