Energiewende, Digitalisierung, Produktionskosten: problematisch
Matthias Weik will nicht um den heißen Brei herumreden: er macht sich Sorgen um unsere Wirtschaft. Der Finanzexperte und Gründer einer Finanzstrategieberatung analysiert seit mehr als 15 Jahren die Wirtschaft, den Mittelstand und die Finanzmärkte in Deutschland. Sein Ergebnis fällt dabei nüchtern aus: Die Produktion am Wirtschaftsstandort Deutschland sei teuer, die Energiewende der Bundesregierung von fragwürdigem Nutzen und die Digitalisierung nicht weit genug fortgeschritten.
Wir haben mit die höchsten Strompreise – seit Jahren – da schüttelt das Ausland den Kopf.
Sinnvolle Wirtschafts-, Mobilitäts- und Energiepolitik für Deutschland
Schon lange, sagt Weik, seien die Finanzmärkte nicht mehr gesund und lebten nur noch von immer neuem Geld. Und auch im privaten Bereich sei man mit den eigenen Finanzen nicht mehr richtig umgegangen - viele hätten sich ein Leben auf Pump vorgegaukelt, das sie sich eigentlich gar nicht leisten konnten.
In der heutigen Gesellschaft, und das war früher anders, finanziert man nicht nur die Wohnung. Da werden die Uhr, die Handtasche, die Möbel finanziert. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Mittlerweile geben Leute das aus, was sie morgen oder übermorgen verdienen.
Der Crash, den Weik dem globalen Finanzsystem schon einmal vorausgesagt hatte, ist allerdings bisher nicht eingetreten. Aber: er mache sich Sorgen, berechtigte Sorgen.
Wir sehen, was passiert, wenn man den Anschluss an die Zukunft verpasst. Jetzt werden die Karten neu gemischt. Die Digitalisierung wird obendrein alles auf den Kopf stellen. Da haben wir jetzt zwei Möglichkeiten: die Welle rast auf uns zu, entweder schaffen wir es auf der Welle zu surfen oder wir werden überrollt. Dann geht die Welt auch nicht unter, aber dann findet die Zukunft halt woanders statt.
So steht es um Mittelstand und Wirtschaft in Baden-Württemberg
Matthias Weik studierte in Baden-Württemberg und in Australien Betriebswirtschaftslehre und erwarb später noch einen Master of Business Administration (MBA). Er war für Konzerne tätig und berät in seiner Finanzstrategieberatung Unternehmen, aber auch Privatpersonen. Außerdem schreibt er erfolgreich Bücher zu Finanz- und Wirtschaftsthemen.
Der Strukturwandel in der Automobilindustrie ist eines seiner wichtigsten Themen:
Ich denke, langfristig werden die Luxushersteller mit bestimmten Autos überleben. Aber für die Massenhersteller wie VW, Peugeot, Renault und Fiat sehe ich rabenschwarz, denn die Chinesen bauen gute Autos – und sie bauen sie günstiger.
Baden-Württemberg liegt dem geborenen Waiblinger dabei besonders am Herzen. Seine Prognose für die Automobilindustrie – auch die in Baden-Württemberg - fällt daher eher düster aus:
Wir haben die besten [Verbrenner-]Motoren gebaut. Bei einem Elektromotor fällt das weg. Im Umkehrschluss werden viele Menschen ihren Job dadurch verlieren. Da findet ein massiver Strukturwandel statt.
Friederike Spiecker | 19.9.2023 Ökonomin zur Rezession: Was rettet die deutsche Wirtschaft?
Die deutsche Wirtschaft ist auf Talfahrt. Ökonomin Friederike Spiecker spricht in SWR1 Leute über die Gründe für und die Maßnahmen gegen die Rezession.
Die Abhängigkeit von China macht Matthias Weik Sorgen
Auch verändertes Konsumverhalten, zum Beispiel der Verzicht auf chinesische Autos, sieht der Experte kritisch. Immerhin sei der allergrößte Markt für chinesische Autos ein Binnenmarkt, nämlich China selbst. Generell macht ihm die Abhängigkeit von China Sorgen.
Wir sind sehr stark abhängig von China. Noch nicht so sehr wie beim russischen Gas. Wenn die Chinesen uns den Hahn zudrehen, findet die Zukunft nicht bei uns statt.
China-Expertin Kristin Shi-Kupfer | 27.4.2023 So ist das neue Verhältnis zwischen China und Deutschland
Wie soll sich Deutschland gegenüber China positionieren? Russland, Ukraine, Taiwan, Digitalisierung, Wirtschaft - all das spielt eine Rolle.
Ausstieg aus der Atomenergie: problematischer Alleingang?
Abseits von der Automobilindustrie spricht Weik auch davon, wie Deutschland in vielen Bereichen einen Alleingang wagt, dem manchmal niemand sonst folgt. So sieht er den Ausstieg aus der Atomenergie kritisch.
Die Geister streiten sich, ich möchte das nicht bewerten, aber: Wir waren darin [in der Atomenergie] führend. Jetzt machen wir alles zu und das heißt im Umkehrschluss, dass die Leute, die hier gut waren, ins Ausland gehen und dort die Atomkraftwerke bauen. Wir sehen ja: Dem deutschen Weg wird nicht gefolgt.
Zu wenig Investition in Bildung: Eliteschulen für alle
Für Deutschland – das Land der Dichter und Denker, das "unfassbar viel erfunden habe" – sei es besonders wichtig, das Know How im Land zu halten und zu fördern. Deshalb, so fordert Matthias Weik, müsse "unendlich viel mehr Geld" in die Bildung investiert werden.
Erziehungswissenschaftler Thorsten Bohl | 6.12.2023 PISA: So steht es um unsere Schulen und das Bildungssystem
Wie gut sind deutsche Schüler:innen im Vergleich? Thorsten Bohl von der Uni Tübingen ordnet die Ergebnisse der PISA Studie ein und verrät, was sich in unserem Bildungssystem ändern muss.
Es kann doch nicht sein, dass wir das Achtfache des Bundeshaushalts in Arbeit und Soziales investieren als in Bildung. Wir müssen Aber-Milliarden in Bildung investieren, in Schulen, in Universitäten. Wir müssen das Niveau nicht immer weiter nach unten drücken. Ich sage knallhart: Wir brauchen weniger Gleichmacherei, wir brauchen mehr Eliteschulen – und zwar für alle, und nicht, dass der Geldbeutel der Eltern über den Bildungsgrad der Kinder bestimmt.