Ihr Kopf ist der irische Priester Hugh O' Flaherty, den es wirklich gab. Von ihm erzählt der preisgekrönte irische Autor Joseph O' Connor in seinem neuen Roman „In meines Vaters Haus". Ein gekonnt erzählter historischer Thriller.
Rom im Kriegswinter 1943/44. Nach der Kapitulation hat die deutsche Wehrmacht ganz Italien besetzt, auch die Hauptstadt. Nur eine Linie auf dem Straßenpflaster trennt sie von dem einzigen Terrain in Italien, das noch vergleichsweise sicher ist: vom Vatikan.
Die Vatikanstadt ist damit auch ein Zufluchtsort für alliierte Soldaten, die aus deutscher Kriegsgefangenschaft geflohen sind. Und für Juden, die untertauchen mussten.
Der Priester Hugh O’Flaherty und seine sieben Mitstreiter wollen sie retten. Von ihnen erzählt Joseph O’Connor in seinem neuen Roman In meines Vaters Haus. Der Kleriker und seine weltlichen Verbündeten verstecken Hunderte Menschen, sie besorgen für sie Lebensmittel, kümmern sich um ärztliche Versorgung.
Sie müssen auf der Hut sein, denn Roms Gestapo-Chef Paul Hartmann hat ihre Spur aufgenommen. Hartmann ahnt, dass da eine Verschwörergruppe aktiv ist und dass der ihm verhasste Hugh O’Flaherty die Fäden zieht.
Priester Hugh O’Flahertys gefährliche Weihnachtsaktion
Für den Weihnachtsabend 1943 plant die Gruppe eine besonders gefährliche Aktion. Worum es dabei geht, weiß Hartmann nicht, und auch der Leser erfährt es nur Stück für Stück. Um diese Aktion herum entspinnt sich die Handlung.
Hier allerdings Details zu schildern hieße, die Lektüre unnötig eines Teils ihrer Spannung zu berauben. Man sollte selbst entdecken, wie Joseph O’Connor den Leser ständig so lange wie möglich im Ungewissen hält, bis sich die Identität vieler Figuren klärt – oder bis Aktionen der Verschwörer und ihrer deutschen Gegner verständlich werden.
Gekonnt verleiht O’Connor dem Roman damit jene stete Atmosphäre der Unsicherheit, die auch seine Protagonisten ertragen müssen: Nie wissen sie so ganz, wem sie trauen können; und in einem dramatischen Moment führt Monsignore O’Flaherty nicht nur den deutschen Gestapo-Chef hinters Licht, sondern wohl auch die meisten Leser dieses Romans.
Dieser O’Flaherty ist ein menschlicher Priester: einer mit sehr viel Bodenhaftung, der eine Menge vom Leben versteht und der seine Ziele auch mal ziemlich handfest verfolgt. O’Flahertys Gegenspieler Paul Hartmann hat die Züge eines jener fanatischen Nazis, die nicht – wie so viele – als verkrachte Existenzen und Desperados zur Partei fanden, sondern die ursprünglich in einem kulturbewussten Umfeld sozialisiert waren – bis sie zu kalt-sadistischen Akteuren des Terrorstaates wurden.
Historischer Thriller mit facettenreichen Figuren
Mit facettenreichen, gebrochenen Figuren und aus der stetigen Ungewissheit, ob die Aktion am Weihnachtsabend 1943 denn gelingt oder nicht, gestaltet Joseph O’Connor einen historischen Thriller mit viel Liebe zum Detail. Nicht oft findet man einen Schauplatz so knapp und doch eindringlich charakterisiert wie hier etwa das Innere der Peterskirche – die Klänge, die Düfte, das Licht tausender Kerzen in diesem See aus Schatten und vergoldeter Düsternis, wie O’Connor es nennt.
Bald steigert der Autor das Tempo der Erzählung und damit die Spannung dieser eiskalten Weihnacht; dann wieder, als es förmlich knistert, nimmt er plötzlich das Tempo heraus und lässt den Mond hinter den Wolken auftauchen: Wörtlich, als ein „verschattetes, starres Auge“. Hier steht man als Leser geradezu still mit Hugh O’Flaherty, der nicht weiß, ob er hinter der nächsten Straßenecke womöglich seinen Häschern in die Arme läuft. Immer wieder schleicht sich auch britischer Humor ein – wenn O’Connor etwa die kulinarische Provinzialität seiner südwestirischen Heimat mit dem Bonmot kennzeichnet, dort werde schon der Besitzer einer Knoblauchzehe womöglich als Hexe verbrannt.
Spannend, auch wenn man nebenher googelt
Auch wenn man versucht sein könnte, sich über das Schicksal der realen Personen vorab anderweitig zu informieren, bleibt die Lektüre fesselnd, denn die Handlung nimmt mehrmals überraschende Wendungen. Und indem O’Connor zuletzt noch einmal die historischen Tatsachen gekonnt ausmalt, verleiht er dem Buch einen unerwarteten Schluss.
Spannung auch bei Lesern zu erzeugen, die Eckdaten des historischen Geschehens schon kennen: das muss man diesem Autor erst einmal nachmachen.