Buchkritik

Michael E. Mann – Moment der Entscheidung

Stand
Autor/in
Gerhard Klas

Noch ist der Untergang der Menschheit abzuwenden, meint Michael E. Mann, einer der führenden internationalen Klimatologen. Seine Einblicke in die Erdgeschichte machen Hoffnung, denn die physischen und technologischen Voraussetzungen für die Rettung seien noch gegeben, es mangele nur am politischen Willen.

Was haben Donald Trump und der König des vor mehr als 4000 Jahren untergegangenen akkadischen Reichs gemeinsam? Beide wollten sich mit baulichen Maßnahmen Probleme vom Leib halten, der eine mit einer Mauer zwischen den USA und Mexiko, der andere mit einer hunderte Kilometer langen Mauer zwischen Euphrat und Tigris. Den Niedergang Akkads hat die Mauer nicht verhindert. Eine langanhaltende Dürre ließ Felder und Teiche vertrocknen, um die verbliebenen Ressourcen entbrannte ein mörderisches Gemetzel.  

Aus der Erdgeschichte lernen 

Solche Blicke in die Vergangenheit sollten uns eine Lehre sein, meint der US-amerikanische Paläoklimatologe Michel E. Mann, der für sein neues Buch 250 Millionen Jahre in die Erdgeschichte zurück schaut. Dabei geraten allerdings auch Konflikte unserer Zeit in seinen Fokus, die im deutschsprachigen Raum im Kontext der Klimadebatte bestenfalls Randnotizen waren: Zum Beispiel der Bürgerkrieg in Syrien, der schon Hunderttausende Leben gefordert und noch viele Menschen mehr in die Flucht geschlagen hat. 

Die tieferliegende Ursache war eine jahrzehntelange Dürre in Syrien, die wahrscheinlich die schlimmste seit mindestens einem Jahrtausend ist. Die beispiellose Dürre, die durch den Klimawandel verschärft, wenn nicht gar verursacht wurde, dezimierte die Landwirtschaft in der Region. Sie zwang die Landwirte in die Städte Aleppo und Damaskus, wo sie mit den dort lebenden Menschen um Nahrung, Wasser und Platz konkurrierten. Der daraus resultierende Konflikt, die Unruhen und die Gewalt schufen ein ideales Umfeld für Terrororganisationen.  

Konsequenzen einer verfehlten globalen Klimapolitik 

Michael E. Mann verfällt leider oft in einen Fachjargon, der die Lektüre für Klimatologie-Laien stellenweise erschwert. Aber es ist gleichzeitig Manns großes Verdienst, dass er die Konsequenzen einer verfehlten globalen Klimapolitik sehr deutlich benennt. Noch sei es nicht zu spät, das Ruder herum zu reißen. Denn die Voraussetzungen dafür seien durchaus vorhanden. Die Politik müsste dies nur erkennen und entsprechend handeln: 

Die Hürden, die dem Handeln im Wege stehen, sind nicht physischer oder gar technologischer Natur, sondern – zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt – ausschließlich politischer Natur.  Die Auswirkungen des Klimawandels stellen zweifelsohne eine existenzielle Bedrohung dar, wenn wir nicht aktiv werden. Aber wir können handeln.  

Hoffnung auf eine effizientere Klimapolitik 

Auch das Zählen von Toten bietet Michael E. Mann Argumentationshilfe. Fünf Millionen Tote durch Hitzestress, vier Millionen durch Luftverschmutzung, jedes Jahr. Das sind wissenschaftliche Prognosen, selbst wenn die Klimaerhitzung auf zwei Grad begrenzt werden kann. Das sind doppelt so viele Tote wie durch Covid 19 während der gesamten Zeit der Pandemie. Von depressiver Untergangsstimmung will Michael  E. Mann jedoch nichts wissen.  

Politische Entscheidungsträger, Meinungsführer und Unternehmen müssen in die Verantwortung genommen werden. Denn obwohl die Bevölkerung selbst inzwischen mit überwältigender Mehrheit konzertierte Klimaschutzmaßnahmen befürwortet, kann sie die notwendigen Veränderungen nicht selbst herbeiführen. Wir als Individuen können zwar als Verbraucher klimafreundliche Entscheidungen treffen. Aber wir können nicht die Subventionierung der Erneuerbaren Energien-Branche erzwingen oder gar die Beihilfen für die fossile Brennstoffindustrie abschaffen.  

Hoffnung machen ihm Australien und Neuseeland, wo es trotz einer mächtigen Presse rund um den Klimaleugner Rupert Murdoch bei Wahlen Mehrheiten für eine effizientere Klimapolitik gab. Der US-amerikanische Klimawissenschaftler hat ein wichtiges Buch vorgelegt: mit seinem Wissen über die Erdgeschichte rückt er die beschwichtigenden Aussagen von Politikern und Konzernchefs, deren Denken häufig nicht über die nächste Wahl und Aktionärsversammlung hinaus reicht, in ein anderes Licht.   

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