Platz 1 (92 Punkte)

Jonas Lüscher: Verzauberte Vorbestimmung

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Diskutiert auf Platz 2 der SWR Bestenliste Februar 2025

Wie sagte es einmal ein kluger Mensch im Zusammenhang mit Literatur? „Das Thema ist nicht der Inhalt eines Romans.“ Die Bücher des Schweizer Schriftstellers Jonas Lüscher lassen sich nicht auf einen Plot reduzieren. Schon die Frage nach dem erzählerischen Kern ist eine Herausforderung. Das gilt auch und erst recht für seinen neuen Roman.

Auf die Frage, ob man das Buch nacherzählen könne, antwortet Lüscher in einem Interview: „Ja, natürlich kann man die Handlung nacherzählen. Vielleicht nicht in Art eines Elevator Pitch, also in der Zeit, in der ein Fahrstuhl ein paar Stockwerke überwindet, aber mit etwas mehr Zeit geht das schon. Die Frage ist eher, ob man diesem Roman damit gerecht wird, ob es nicht viel mehr um die Zusammenhänge geht, darum, in welchem Verhältnis die verschiedenen Erzählstränge zueinanderstehen.“

Ihm sei es darum gegangen, so Lüscher, etwas zu erzählen über Menschen und ihr Verhältnis zur Technik. Ein Motiv, das auch einen sehr persönlichen Hintergrund hat, so Lüscher: „Die Arbeit an dem Buch wurde von meiner schweren Coronaerkrankung unterbrochen, ich lag für sieben Wochen an diverse Maschinen angeschlossen im Koma. Es wäre intellektuell nicht redlich, danach ein Buch über Mensch-Technik-Beziehungen zu schreiben, ohne zuzugeben, dass man sein Überleben nur der Technik zu verdanken hat, und ohne darüber nachzudenken, was es mit einem macht, wenn man einige Zeit als Cyborg gelebt hat.“

Wer oder was kommt also vor? Ein algerischer Soldat, der in einen Giftgasangriff hineingerät. Ein böhmischer Weber, der durch einen automatisierten Webstuhl ersetzt wird. Menschen, Maschinen, Kapitalismus. Alle verbunden durch unsichtbare Fäden.

Eine Romanruine, die ratlos macht Jonas Lüscher schreibt in „Verzauberte Vorbestimmung“ über das angespannte Verhältnis von Mensch und Maschine

Viele Schauplätze in unterschiedlichen Epochen überfrachten das Werk, das trotz verschiedener Erzählperspektiven in einer altertümlichen Sprache gehalten ist. Rezension von Carsten Otte

Diskussion über vier Bücher SWR Bestenliste Februar mit Büchern von Samantha Harvey, Julia Schoch, Jonas Lüscher und Wolf Haas

Über den Wolken und durch die Jahrhunderte: Meike Feßmann, Julia Schröder und Paul Jandl diskutierten vier auf der SWR Bestenliste im Februar verzeichnete Werke, die von berauschenden und bedrückenden Reisen handeln. Zunächst ging es um den mit dem Booker Prize ausgezeichneten Roman „Umlaufbahnen“ von Samantha Harvey in der deutschen Fassung von Julia Wolf, in dem sechs Astronauten auf einer Raumstation durchs Weltall schweben und ihr Verhältnis zur bedrohten Mutter Erde neu justieren (Platz 4).
Besprochen wurde in der ausverkauften Mediathek in Bühl Julia Schochs Abschluss ihrer Trilogie, die mit „Biographie einer Frau“ überschrieben ist und auf Platz 3 der Februar-Bestenliste steht: Nach „Das Vorkommnis“ und „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ heißt der dritte Teil der autofiktionalen Romanreihe „Wild nach einem wilden Traum“, in welchem es um die Erinnerung an eine Affäre und die Entscheidung der Erzählerin geht, Schriftstellerin zu werden.
Auf Platz 2 wird auf der Bestenliste im Februar der neue und vieldiskutierte Roman von Jonas Lüscher gelistet: „Verzauberte Vorbestimmung“ heißt das Werk, das einerseits ein Post-Covid-Roman ist und andererseits das angespannte Verhältnis von Mensch und Maschine in unterschiedlichsten Epochen reflektiert.
Der Spitzenreiter der Bestenliste im Februar ist der neue Roman „Wackelkontakt“ von Wolf Haas. Darin wird zunächst von einem Trauerredner namens Franz Escher erzählt, der auf einen Elektriker wartet und einen Roman über einen Mafioso liest. Schon bald geht es aber auch um einen Mann im Zeugenschutzprogramm, der sich die Zeit mit einem Buch vertreibt, in dem wiederum der Trauerredner Escher auf den Elektriker wartet. Der Text ist ein Prosa-Labyrinth, das an die unmöglichen und unendlichen Gemälde des niederländischen Grafikers M.C. Escher erinnert. Jury und Publikum waren gleichermaßen amüsiert.
Aus den vier Büchern lasen Isabelle Demey und Dominik Eisele. Durch den Abend führte Carsten Otte.

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SWR