In mehreren stets schmalen Romanen umkreist die 1944 in Frankreich geborene, aber bereits seit knapp 60 Jahren in Deutschland lebende Schriftstellerin Sylvie Schenk nun schon ihre eigene Geschichte und die ihrer Familie jeweils aus einer anderen Perspektive und vor allem mit einem anderen thematischen Zugang. Schenks autofiktionale Bücher verbindet der Versuch, das Herkunftsmilieu sowohl kritisch als auch empathisch zu erfassen.
In ihrem neuen Roman umkreist Schenk das Leben ihrer Mutter Renée. Sie kommt im Dezember 1916 zur Welt. Die Großmutter der Erzählerin stirbt bei der Geburt. Inmitten der ökonomischen Härten des Ersten Weltkriegs verbringt Renée ihre ersten Lebensjahre in einem staatlichen Heim, bevor sie bei einem Ehepaar auf einem Bauernhof untergebracht und schließlich von einem großbürgerlichen Paar in Lyon adoptiert wird. Dort wird sie geliebt und verhätschelt, doch das kommt zu spät: Das Stigma ihrer Herkunft wird Renée Zeit ihres Lebens nicht los. Sie bleibt eine Außenseiterin mit einer fremdbestimmten Biografie. Zwischen ihr und der Welt stehen Minderwertigkeitsgefühle, die nicht verschwinden wollen.
Sylvie Schenk blickt ihrer Figur buchstäblich über die Schulter, bleibt offen für verschiedene Möglichkeiten, lässt Lücken und Unklarheiten. „Maman“ ist sowohl eine sehr persönliche Annäherung als auch das Porträt einer Epoche.