Die 1944 im französischen Chambéry geborene und seit den 1960er-Jahren in Deutschland lebende Sylvie Schenk hat tatsächlich erst recht spät den endgültigen Durchbruch als Autorin geschafft: Beim Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb las sie einen Auszug aus ihrem Roman „Schnell, dein Leben“, der dann 2016 erschien; zwei Jahre später veröffentlichte Schenk ihren zurecht hochgelobten Roman „Eine gewöhnliche Familie“.
Zwei Merkmale kennzeichnen Schenks Bücher: Sie sind schmal, konzentriert und eindeutig autobiografisch grundiert. Ihr neuer „Roman d’amour“ dreht die Spirale zwischen autobiografischem und autofiktionalem Schreiben noch einmal weiter: Ihre Hauptfigur Charlotte Moire ist Schriftstellerin von Beruf. Sie hatte vor Jahrzehnten eine Affäre mit einem verheirateten Mann, über die sie nun einen Roman geschrieben hat, der zum großen Erfolg wurde.
Nun sitzt ihr, der mittlerweile Siebzigjährigen, eine Interviewerin gegenüber, die sich weniger für den literarischen Wert als für den vermeintlichen Wahrheitsgehalt des Buches interessiert. Während Charlotte aus verschiedenen Gründen abstreitet, dass ihr Roman eine reale Geschichte erzählt, schweifen ihre Erinnerungen immer wieder ab.
Die Grenzen zwischen Leben und Werk verschwimmen: Wem gehören der Schmerz, die Enttäuschungen, die Glücksmomente? Und wie kann man davon erzählen? Sylvie Schenk führt genau das erzählerisch vor.