Es ist der 29. Roman des französischen Literatur-Nobelpreisträgers, der einmal eingestanden hat, dass es sich ein wenig anfühle, als würde er immer wieder dasselbe Buch schreiben. Das wiederum trifft auf viele große Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu, und wenn ein Autor sich einen Sound, ein Themenspektrum und eine atmosphärische Kompetenz über die Jahre hinweg erschrieben hat, ist diese Erkenntnis auch nichts, was gegen ihn spräche. Die Schwedische Akademie würdigte den 1945 geborenen Franzosen 2014 als einen „Proust unserer Zeit“.
In der Tat ist auch der Erzähler und Protagonist in „Unsichtbare Tinte“ auf der Spur seiner eigenen Erinnerung, die fest eingebettet ist in die Straßen und Plätze der Stadt Paris, durch die Modianos Helden sich stets wie auf einer Bühne bewegen.
Jean Eyben heißt der Erzähler des neuen Romans, der mit dem vielsagenden Satz beginnt: „Es gibt Leerstellen in diesem Leben.“ Die gilt es zu füllen, zu ergründen, zu rekonstruieren. Als 20-Jähriger arbeitete Eyben in den 1960er-Jahren in einem Detektivbüro. Sein Chef beauftragte ihn, sich um das Verschwinden einer Frau im 15. Arrondissement zu kümmern.
Eyben beginnt im Umfeld von Noelle Lefebvre, so heißt die Verschwundene, zu recherchieren. Er befragt ihr Umfeld, geht ihre Wege nach. In ihrer Wohnung findet er ein Notizbuch mit rätselhaften Einträgen. Nach und nach gibt Modiano seiner Geschichte eine unerwartete Wendung. Der Detektiv als die Figur des Suchenden ist eben auch immer auf der Suche nach sich selbst.