Ein bewegtes Leben im 20. Jahrhundert: Clarice Lispector wurde 1920 in der Ukraine geboren. Kurze Zeit darauf emigrierten ihre Eltern, zunächst nach Deutschland, dann nach Brasilien.
Lispector studierte Jura, arbeitete als Lehrerin und begann 1943 mit ihrem ersten Roman „Nahe dem wilden Herzen“, im Übrigen ein Zitat von James Joyce, der nach seinem Erscheinen große Aufmerksamkeit erregte.
Mit ihrem Mann, einem Diplomaten, absolvierte Lispector diverse Lebensstationen in Europa und in den USA, bevor sie 1959 nach Brasilien zurückkehrte.
Als ihre literarischen Referenzgrößen gelten Kafka und Virginia Woolf. Der türkische Nobelpreisträger Orhan Pamuk bezeichnet Lispector als „eine der geheimnisvollsten Autorinnen des 20. Jahrhunderts.“ 1975, zwei Jahre vor ihrem Tod, nahm Lispector am „Ersten Weltkongress der Hexerei“ in Kolumbien Teil.
Ihre Biografie ist umgeben von Mythen, an deren Entstehung die Autorin zum Teil selbst mitgewirkt hat.
Nun hat sich der Penguin Verlag Lispectors bislang wenig beachteter Kurzprosa angenommen: In „Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau“ sind insgesamt vierzig Geschichten gesammelt, die größtenteils zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt worden sind.
Es geht um unterdrückte Obsessionen, um Lebensängste und um einen Blick auf die Welt, der nicht selten dem vermeintlichen Wahnsinn nahe ist.
Lispectors überwiegend weibliche Figuren bewegen sich auf dem schmalen Grat zwischen Realität und Traumbildern; ihre Sprache ist so doppelbödig wie elegant.