Liv Lisa Fries als Widerstandskämpferin

Widerstand aus Anstand: „In Liebe, Eure Hilde“ von Andreas Dresen

Stand
Autor/in
Julia Haungs
Julia Haungs, Autorin  und Redakteurin, SWR Kultur

Regisseur Andreas Dresen erzählt die Geschichte der NS-Widerstandskämpferin Hilde Coppi. Im Sommer 1942 verliebt sie sich in den Widerstandskämpfer Hans Coppi, Mitglied der Gruppe „Rote Kapelle“. Im achten Monat schwanger wird sie inhaftiert, bringt ihm Gefängnis ihren Sohn auf die Welt und wird 1943 hingerichtet. Ein zutiefst menschlicher Film über Anstand, Liebe und Zivilcourage.

Der Film beginnt mit Hildes Verhaftung

Die Liste von Hildes Ängsten ist lang: vor Spinnen fürchtet sie sich genauso wie vor ihrem Zahnarzt, den Nazis oder der Liebe. Als geborene Widerstandskämpferin porträtiert Hauptdarstellerin Liv Lisa Fries diese stille junge Frau nicht. Und doch zögert Hilde keinen Moment, als ihr Freund Hans sie 1941 bittet, ihn beim Morsen zu unterstützen. Mit einem illegalen Funkgerät will er Nachrichten an die Sowjetunion übermitteln.

Filmstill
Berlin 1942. Hilde (Liv Lisa Fries) ist verliebt in Hans (Johannes Hegemann). In ihrer Leidenschaft vergessen die beiden oft Krieg und Gefahr. Bild in Detailansicht öffnen
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Fries spielt die Widerstandskämpferin als anfangs etwas schüchternes Mädchen, dass im Laufe des Films zu einer Frau wird, deren innere Größe anderen beeindruckt. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Hilde bewundert den Mut ihres Liebsten. Er bewegt sich in Widerstandskreisen. Sie selbst ist eher ängstlich, beteiligt sich aber immer beherzter an den Aktionen der Gruppe, die man später die „Rote Kapelle“ nennen wird. Als der Sommer zuende geht, werden alle verhaftet. Bild in Detailansicht öffnen
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Bei ihrer Verhaftung ist Hilde im achten Monat schwanger. Im Gefängnis bringt sie ihren Sohn zur Welt und entwickelt eine Kraft, die ihr niemand zugetraut hätte. Bild in Detailansicht öffnen
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„Wir versuchen zu zeigen, was sich hinter der Fassade verbirgt — sowohl bei den Widerstandskämpfern, als auch im nationalsozialistischen Apparat“, erklärt Regisseur Andreas Dresen Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
In Hilde Coppi sieht Dresen keine politische Aktivistin, aber einen von Grund auf anständigen Menschen mit eigenem Wertekanon. Bild in Detailansicht öffnen

Andreas Dresen erzählt die Geschichte auf zwei Farbebenen

Von diesem Punkt aus erzählt Regisseur Andreas Dresen in zwei Richtungen: in fahlen Bildern vorwärts über Hildes Zeit im Gefängnis bis zu ihrer Hinrichtung. Und in farbgesättigten Rückblenden Schritt für Schritt zurück bis zu dem Punkt, an dem Hilde ihren zukünftigen Mann Hans Coppi kennenlernt.

Über ihn gelangt sie in einen Freundeskreis von jungen Leuten aus verschiedenen Schichten, die sich gegen das Regime wehren. Zum Beispiel kleben sie Zettel, verteilen Flugblätter und senden geheime Funksprüche. 1942 werden sie als Mitglieder der von den Nazis so titulierten „Roten Kapelle“ verhaftet und 1943 in Plötzensee hingerichtet.

Alle sind ganz normale junge Leute

Am schwersten fällt Hilde der Abschied von ihrem acht Monate alten Sohn, den sie im Gefängnis zur Welt gebracht hat. Die Liebe zu ihrem Baby gibt Hilde Kraft. Aus dem schüchternen Mädchen vom Anfang ist eine Frau geworden, deren innere Größe andere beeindruckt. Drehbuchautorin Laila Stieler zeigt diese Entwicklung, jedoch ohne Hilde oder ihre Freunde zu heroisieren.

In diesem zutiefst menschlichen Film sind sie vor allem ganz normale junge Leute, die gerne lachen, feiern und lieben. So nimmt die Liebesgeschichte zwischen Hilde und Hans auch großen Raum ein, inklusive überraschend vieler Sexszenen.

Filmstill
„Babylon Berlin“-Star Liv Lisa Fries spielt die Widerstandskämpferin Hilde Coppi als anfangs etwas schüchternes Mädchen, dass im Laufe des Films zu einer Frau wird, deren innere Größe anderen imponiert.

Gängige Nazi-Klischees umschifft Regisseur Dresen

Selten sah ein historischer Film so wenig historisch aus. Die gängigen Nazi-Klischees umschifft Dresen: Weder sieht man Hakenkreuze noch schreiende NS-Schergen in Uniform.

Auch wenn der Regisseur das Warten auf die Hinrichtung beklemmend kleinteilig zeigt – im Grunde kommen alle, die das Regime repräsentieren, freundlich daher: der Gestapobeamte ebenso wie der Richter oder die Gefängniswärterin. Aber mitgemacht haben sie eben doch, sagt Andreas Dresen.

So ein System wird getragen von millionenfachem kleinem Opportunismus, von millionenfacher Anpassung. Für uns war es wichtig, dass man sich sowohl in den Menschen, die da im Widerstand unterwegs sind als auch in den Leuten, die für das System tätig sind, spiegeln und sich fragen kann: wo wäre ich denn eigentlich?

Trailer„In Liebe, eure Hilde“, ab 17. Oktober im Kino

IN LIEBE, EURE HILDE I HD-Trailer I Ab 17. Oktober 2024 im Kino

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