Die Zwillingsbrüder Gert und Uwe Tobias haben den Holzschnitt revolutioniert, sie gestalten riesengroße Bilder als Zwitter aus Malerei und Druck. Die Kunsthalle Tübingen zeigt nun ihre Werke, voller ironischer Zitate aus der Kunstgeschichte: Blüten, Fratzen, Brustporträts.
Holzschnitt kann cool sein
Beim Stichwort „Zeitgenössische Kunst“ denkt man wohl kaum an Holzschnitt. Und wenn dieses als altbacken belächelte Verfahren dann auch noch verwendet wird, um folkloristische Motive wie Blumen und Tiere abzuwandeln, dann läuft das ja wohl auf verzopften Biedermeier hinaus, oder? Von wegen!
Die Grafik-Künstler Gert und Uwe Tobias zeigen ebenso cool wie klug, was Holzschnitt heute sein kann.
Riesige Formate in der Ausstellung
Uwe Tobias hat zusammen mit seinem Zwillingsbruder Gert den Holzschnitt in die Gegenwart katapultiert. Ihre Augen weidende Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen macht erfahrbar, wie den beiden das gelingt.
Nämlich vor allem über riesige Formate weit jenseits der traditionellen, die ja immer durch die bescheidenen Maße einer hölzernen Druckplatte beschränkt waren.
„Es entsteht eine eigene Welt, und die ist geboren aus dem Holzschnitt, und das finde ich sehr faszinierend.“, schwärmt Nicole Fritz, die Leiterin der Tübinger Kunsthalle. Ihr komplettes Haus bespielen die Gebrüder Tobias jetzt mit souveräner Leichtigkeit, Humor und Formgefühl, von der Cafeteria bis in den hintersten Winkel der verschachtelten Architektur.
Glubschäugige Monster wie von Hieronymus Bosch treffen auf abstrakte Farbflächen, Andeutungen barocker Stillleben kollidieren mit typografischen Experimenten. Daneben stehen dämonische Köpfe aus Keramik, auf vasenartige Sockel aufgepfropft.
Ein Gesamtkunstwerk
Die Inszenierung ist ein Gesamtkunstwerk, fein austariert zwischen Kontrasten und gegenseitigen Bezügen, schildert Uwe Tobias.
So drängt sich die Frage auf, wie die Zwillinge, die seit über zwanzig Jahren als Künstler-Duo auftreten, ihre beiden kreativen Egos eigentlich unter einen Hut bekommen.
Gert Tobias zögert nicht mit klarer Auskunft: „Wir sind nicht die Symbiose. Irgendwann, wenn der Streit überhand nimmt, kommt man spätestens dann auf eine Strukturierung und so passierte das dann letzten Endes auch in der Vergangenheit. Es wurde zu viel Streit, und dann haben wir uns Regeln auferlegt.“
Einmischen nur wenn es erlaubt ist!
Und deren wichtigste lautet, dass jeder bestimmt, wann er dem anderen erlaubt, sich einzumischen. Seitdem das gilt, ist der enge Austausch der Brüder, die auch schon das Kunst-Studium gemeinsam bestritten haben, eine Art Kompressor, der den Druck im schöpferischen Prozess steigert, sagt Gert Tobias.
„Das ist wie so ein Antrieb, zusätzlich noch zu dem Rest, dieses nach vorne Preschen und Machen und Tun, sich Sachen überlegen und zu gucken, wie geht es weiter, den Schneeball immer größer werden lassen und wieder zurückgehen, also immer so eine fließende Bewegung. Das ist ein Resultat der Zusammenarbeit, die noch ganz andere Dynamik hat, als wenn man es alleine machen würde und das einzuarbeiten in die Bildwelt, das kann auch ruhig mal Spaß machen zwischendurch.“
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