Kino

„Das Parfum“ wieder im Kino: Der Duft der großen weiten Welt

Stand
Autor/in
Rüdiger Suchsland

Die Verfilmung von Patrick Süskinds Roman „Das Parfum“ kommt wieder ins Kino. Der einflussreiche deutsche Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger und Tom Tykwer, einer der erfolgreichsten deutschen Regisseure, brachten 2006 Süskinds Roman-Bestseller  auf die Leinwand. Dreimal Erfolg - was sollte da noch schiefgehen? 

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„Ein großes Nasentheater“

Es war der mit 60 Millionen Euro teuerste deutsche Film aller Zeiten. So richtig glatt lief es dann aber nicht: Vier Millionen Zuschauer in Deutschland waren zu wenig, der Film machte keine Verluste, aber er veränderte auch das Kino nicht und wurde eher zum Symbol für die deutschen Großproduktionen jener Jahre, die sich am Gegenstand ein bisschen verhoben.

Auch bei der Kritik fiel der Film durch: In der ZEIT mokierte sich die Autorin süffisant über „Ein großes Nasentheater“, und spottete treffend: „Der Held des Romans 'sieht' mit der Nase. Im Film sehen wir immerzu die Nase des Helden.“

Filmstills aus dem Film "Das Parfüm"
Jean-Baptiste Grenouille hat eine feine Nase: also wird er Parfümeur. Doch der Duft von Laure (Rachel Hurd-Wood) betört ihn so sehr, dass sein Leben eine dunkle Wendung nimmt.

Kein typisch tykwerischer Leindwand-Strudel

Warum nur wurde die Geschichte eines Jungfrauenmörders im vorrevolutionären Frankreich zum erfolgreichsten deutschen Roman aller Zeiten? Welche unterbewussten Botschaften schlummern in Patrick Süskinds "Parfum", die über die Kriminalgeschichte und den Historienroman hinausreichen? 

Auch dieser Film beantwortet keine dieser Fragen - es bleibt die Condition einer literarischen Postmoderne, in der das Seichte, mit ein paar intellektuellen Gewürzen, zur Hochkunst geadelt wurde.  

Filmstills aus dem Film "Das Parfüm"
Laure (Rachel Hurd-Wood) ist die Tochter von Antoine Richis (Alan Rickman), einem einflussreichen Mann in Grasse. Er ahnt, dass seine Tochter bald ein Opfer des Mörders werden könnte und versucht sie in Sicherheit zu bringen - jedoch letztlich vergebens.

Dieser Film ist kein typischer tykwerischer Leinwand-Strudel, voller Sog und Magie, mit anschwellendem Herzschlag rasant getrieben, sondern ein typisch deutsches Machwerk aus bräunlichem Licht, um fehlende Ausstattung zu übertünchen und groß „Geschichte“ zu signalisieren, im Gleichschritt von Schauplatz zu Schauplatz die Stationen der Handlung abhakend, aber nie zum Eigentlichen vordringend: Zum Inneren eines grauenvollen Monsters der Düfte, besessen von der Idee des perfekten Dufts. 

Vielleicht taugt so einer wie Grenouille einfach nicht zur Kino-Hauptfigur

Eichinger und Tykwer sahen den perversen Widerling Grenouille, dem Ben Whishaw eine kantige Körperlichkeit und ein asymmetrisches Gesicht gibt, als „Hamlet“, also als zerrissenen Menschen. 

Vielleicht taugt so einer aber einfach nicht zur Kino-Hauptfigur - auch der viel charmantere Serienkiller Hannibal Lecter braucht eine Clarice Starling.  

Nein, dieser Film ist kein wirklich guter Film. Er ist vieles nicht geworden, was der Roman - egal, was man von ihm literarisch halten will - sehr wohl ist: Obsessiv, verstörend, intensiv, fokussiert auf die Traurigkeit und Isolation seiner Figuren.  

Dieser Film riecht nicht - nicht nach Lust und Freiheitswillen, nicht nach Zivilisation und Ordnung, sondern er bleibt ganz aseptisch. 

Filmstills aus dem Film "Das Parfüm"
Aus den Leichen junger Mädchen will Grenouille (Ben Whishaw) Essenzen für sein Parfum gewinnen.

Kein guter Film - trotzdem vermisst man seine Macher

Trotzdem: Man vermisst sie: Nicht diesen Film, aber seine Macher. Nicht diesen Stil, aber jene Jahre, als das deutsche Kino noch in internationalen Großproduktionen dachte, und mehr wollte als ein paar zehntausend Zuschauer und die beflissenen Einser-Arbeiten der "Berliner Schule".

Man vermisst den Gestus eines deutschen Kinos, das sich vielleicht in manchen Größenfantasien verhedderte, aber noch wirklich frech war, und groß dachte. In den letzten 15 Jahren aber, spätestens nach dem Tod von Bernd Eichinger im Januar 2011 versank das deutsche Kino Jahr für Jahr mehr in einem Dornröschenschlaf.

Man vermisst Bernd Eichinger, der nicht wiederkommen wird, obwohl wir so einen, so einen Antreiber und Provokateur, so sehr brauchen könnten. Und man vermisst Tom Tykwer, der sich in den letzten zehn Jahren im Babylon der Streamer-Serien verheddert hat und dem deutschen Kino dafür verloren ging.

Dieser Film ist kein wirklich guter Film. Aber er ist eine dringend notwendige Erinnerung an eine bessere Zeit. 

Filmtrailer „Das Parfum“

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