Ob in Berlin oder Tübingen, vielerorts stehen der Kultur schmerzhafte Kürzungen bevor. Teilweise geht es für Theater, Museen und besonders die freie Szene um die nackte Existenz. Eine Glosse zum enthemmten Sparen in der Kulturpolitik.
Na endlich! Endlich hält die Politik nicht mehr hinter dem Berg mit ihrer eigentlichen Haltung gegenüber Kunst und Kultur!
Wie quälend muss das gewesen sein, immer diese Reden halten zu müssen, wie wichtig Kultur für den Zusammenhalt in der Gesellschaft sei, für die Demokratie, für die Teilhabe – endlich müssen wir uns das kulturpolitische Gefasel nicht mehr anhören: dass auf den Brettern, die die Welt bedeuten, die Grundlagen unseres menschlichen Miteinanders ausgehandelt würden.
Es klang sowieso immer unaufrichtig, finden Sie nicht auch? Endlich ist aus der scherzhaften Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ die ernsthafte Antwort geworden: „Das ist Kunst, das muss jetzt weg!“ Der Vorhang ist gefallen, die Masken auch.
Drastische Einsparungen geplant: Unsichere Zeiten für das Zimmertheater Tübingen
Zerstört die Kulturlandschaft, bevor es die AfD tut
„Schatz, bring den Vorschlaghammer mit“, haben sich die politischen Akteure und Akteurinnen offenbar zugerufen, „jetzt kommt ein Kahlschlag, der den Namen auch verdient“
„Lass uns nicht warten, haben sich die konservativen Parteien der Mitte überlegt, bis extreme Rechte und andere populistische Kräfte das Land in ihrem eisernen Griff haben und die einzigartige, diverse Kulturlandschaft zerstören. Wovon die AfD noch träumt, das wird jetzt schon umgesetzt.
Weg mit den Geldern für zivilgesellschaftliche Projekte und demokratische Bildungseinrichtungen. Teilhabe? Noch nie gehört! Wer braucht denn bitte kostenlose Museumstage, bezahlbare Tickets für Kinder- und Jugendtheater oder pädagogische Zusatzangebote?
Auch der Abneigung gegen die Freie Szene wird nun endlich unverstellt gefröhnt: Ihr hat man die Gelder als erstes gestrichen, sie sind entbehrliche Vorreiter für experimentelle Kunst und kollektives Arbeiten. Dieser Hort von diversen und inklusiven Denkweisen und besonderer gesellschaftspolitischer Relevanz – weg damit und ab ins künstlerische Prekariat.
Berliner Kulturszene unter Spardruck: Steht die Schaubühne vor der Insolvenz?
Mehr Elon Musk wagen!
Fragt sich nur, was man auf lange Sicht mit den ganzen Gebäuden macht, die teilweise zur Zeit noch teuer saniert werden – so teuer, dass man sich die Kunst darin nicht mehr leisten kann. Auch da sollte es keine Denkverbote geben, mit Ideen klotzen und nicht kleckern.
Was spricht gegen Theaterhäuser, die in Parkgaragen oder Einkaufszentren umgebaut werden? Oder der Verkauf an Investoren, die für die Grundstücke anderweitige Verwendung haben. Träumen sollte man auch dürfen von großen Konzernen, die die ehemaligen Stätten der Kunst für sich als Marketingkampagnen entdecken.
Das Elon-Musk-Festspielhaus, das Opernhaus als Tesla-Showroom mit spektakulärer Lichtshow. Mehr Elon wagen – wäre dann das Motto einer neuen Kulturpolitik, wenn es sie dann noch gibt. Die Weichen sind gestellt, vielleicht dauert es nicht mehr lang.
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Wie viel Geld braucht Kultur?
Die Berliner Kulturszene steht vor harten Einschnitten: Rund 130 Millionen Euro sollen gestrichen werden. Das sorgt für Proteste und große Verunsicherung.
Doch Berlin ist nicht allein: Auch andere Städte und der Bund kürzen kräftig. Was bedeutet das für Theater, Museen und die freie Szene? Wie können Kunstschaffende angesichts sinkender Budgets weiterhin bestehen? Soll Kultur stärker privat finanziert werden, oder droht dann die künstlerische Unabhängigkeit zu leiden?
Dabei ist die Lage schon jetzt für viele ziemlich prekär. Die Schriftstellerin und Performancekünstlerin Martina Hefter finanziert mit ihren Erfolgen als Autorin ihr Leben, das Geld für ihre Performances muss sie immer wieder neu über Förderanträge zusammenkratzen.
Einfacher hat es die Direktorin der Kunsthalle Tübingen, Nicole Fritz. Ihr Haus ist über eine Stiftung abgesichert. Das könnte ein Modell für die Zukunft sein, sagt sie. Mehr gesellschaftliches Engagement für die Kultur also und nicht nur Abhängigkeit von den Förderlogiken des Staates? Das klappt vielleicht besser, wenn die Kluft zwischen Künstler:innen und Publikum nicht zu groß ist, wenn also alle an Kulturproduktion beteiligt sind, sagt die Buchpreisträgerin Martina Hefter.
Wie stellt ihr euch ein gerechtes System der Kulturfinanzierung vor? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de!
Hosts: Pia Masurczak & Christian Batzlen
Showrunner: Julian Burmeister
Gäste: Martina Hefter und Nicole Fritz
Special Guest: Nic* Reitzenstein, Theaterkollektiv RaumZeit
Gespräch Drastische Einsparungen geplant: Unsichere Zeiten für das Zimmertheater Tübingen
Die Zuschüsse für das Zimmertheater Tübingen sollen ab 2026 deutlich zurückgefahren werden. Co-Intendant Peer Mia Ripberger sieht den Spielbetrieb am Traditionshaus in Gefahr.