Der Titel „50 Shades of Red – Rotkäppchen FSK18!” weckt Fantasien in den Köpfen des Publikums, die Stephan Siegfried am Theater Koblenz mit seinem überzeugenden Puppenspiel oft erfüllt. Dabei schafft er es, nie anzüglich oder primitiv zu sein. Mit sichtlich Spaß am feinen, eleganten Improvisieren deutet er manches nur an, und lässt sich vom eigentlichen Erzählfaden nicht abbringen.
Rotkäppchen nicht ganz jugendfrei
Rund 50 Stühle, eine spärlich beleuchtete Bühne, zwei Hochstühle, zwei Bretter und eine gelangweilte Bühnenassistentin vor Schreibtischlampe und Sektglas: Mehr braucht es an Ausstattung nicht für das Puppentheaterstück „50 Shades of Red – Rotkäppchen FSK18!”. Und einen überragenden Puppenspieler.
In diesem Fall Stephan Siegfried, der in der ersten Hälfte der Spielzeit in der Rolle des Wölferichs den Stand-Up Comedian gibt. Er regt sich über Zuschauer auf, die lieber auf ihr Facebook-erleuchtetes Smartphone blicken oder laut raschelnd ihre Bonbons auspacken. Abgesehen davon, dass sie häufig vollkommen uninformiert über das Originalmärchen in die Vorstellung kommen.
Wer ist das eigentlich, das Rotkäppchen? Hundert Leute habe er gefragt: „Warum heißt das Rotkäppchen Rotkäppchen? Auf Platz drei: Weil es rot ist. Wählt sie SPD, hat sie ihre Tage – man kann's gelten lassen. Platz 2: Weil es im Wald wohnt. Logisch, oder? Platz 1: Feuerwehr!“
„Rotkäppchen will dem Wolf einen Finger in den Po stecken.“
In der Pause bittet Wölferich Stephan Siegfried das Publikum, Handlungsanweisungen zu schreiben. Er erzählt die Geschichte vom Rotkäppchen nach, das der Großmutter Kuchen und Wein bringen will und auf dem Weg in den tiefen, tiefen Wald so einiges erlebt.
Eine Klingel ertönt und Puppenspielerin Hendrika de Kramer liest einen Zettel vor „Rotkäppchen will dem Wolf unbedingt einen Finger in den Po stecken.“
Schräge Ansage. Improvisationssicher gelingt Stephan Siegfried alias Wölfchen auch diese Wendung: „Was war das denn? Ein Marienkäferchen. (...) Was glaubst du, was das da eben mit mir gemacht hat? Furchtbar, diese Viecher. Also ich habe gegen das Insektensterben nichts einzuwenden.“
Stephan Siegfried nimmt die Anweisungen des Publikums an
Die Großmutter bestellt eine Stripperin, Wölfchen und die Großmutter kennen sich. Puffmutter war sie auch schon, denn alles an abstrusen, schrägen, anzüglichen Ideen ist erlaubt. Das Meiste, das Ungesehene passiert sowieso in der Vorstellung der Zuschauerinnen und Zuschauer ist sich Stephan Siegfried sicher.
Auch wenn sie dann manchmal doch die Luft anhalten müssen, wenn etwa Rotkäppchen auf Anweisung Sexspielzeug für die Großmutter im Korb findet: „Alles was ich aber im Korb habe, ist ein Stück Kuchen und eine Weinflasche. So war klar, was als Sexspielzeug benutzt werden muss.“
Nicht viele, aber manche Anweisungen machen dann auch dem Hauptdarsteller zu schaffen. Etwa die Anweisung, dass der Wolf Doraphobiker ist, also Angst vor Häuten und Tierfellen hat. Das habe ihm dann schon Schweißperlen auf die Stirn getrieben und er sei der Puppenspielerin dankbar, dass sie ihm erklärt habe, was Doraphobie ist.
Bei der Generalprobe im stimmungsvollen C11 waren nur wenige Gäste dabei. Denen hat es aber gefallen.
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