"Zugehört" - Serie zur Kommunalwahl BW 2024

Hohe Mieten, steigende Immobilienpreise: Was tun für bezahlbares Wohnen in BW?

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Maya Rollberg
Maya Rollberg
Annika Jost
Reporterin Annika Jost
Christian Scharff

In den Städten Baden-Württembergs ist bezahlbarer Wohnraum Mangelware. Gegen Neubau gibt es in den Gemeinden jedoch oft Widerstand. Was können Kommunen tun? Ein Blick ins Land.

Mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen - viele Wahlprogramme der kandidierenden Listen und Parteien vor der Kommunalwahl versprechen Lösungen für den Wohnungsmangel: Wohnen ist eines der wichtigsten Themen der Kommunalwahl 2024 in Baden-Württemberg. Aber welche Möglichkeiten haben Kommunen überhaupt, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und zu steuern? Der Blick ins Land zeigt: Die Kommunen müssen kreativ werden.

Wohnungsnot: Widerstand gegen Neubau

Die Bundesregierung hat den Kommunen ambitionierte Ziele gesetzt: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr sollen deutschlandweit entstehen. Doch Wohnungsbau ist kommunal nicht immer so leicht umzusetzen. Bebauungsflächen fehlen, in der Wohnungsfrage wird außerdem oft der Naturschutz zur Herausforderung. Der Neubau in den Kommunen wird dadurch verlangsamt und blockiert. Das ist auch in Ispringen im Enzkreis der Fall: Denn hier hat sich gegen ein geplantes Neubaugebiet eine Bürgerinitiative gegründet. Und das, obwohl sich eine Mehrheit der Befragten bei einer Bürgerbefragung im Jahr 2020 für mehr Wohnraum ausgesprochen hat. Wo soll er also hin, der Neubau? 

Naturschutz contra Wohnungsnot

Die Ispringer Bürgerinitiative, die sich jetzt gegen das Neubaugebiet "Weglanden" gestellt hat, in dem knapp 400 Wohnungen entstehen könnten, fragt: Müssen mehr Flächen versiegelt werden, um Wohnraum zu schaffen, oder geht es auch anders? Mit dem Neubaugebiet würde alte Kulturlandschaft mit artenreicher Natur und fruchtbaren landwirtschaftlichen Böden am Ortsrand versiegelt und dauerhaft zerstört, wie es auf der Webseite der Initiative heißt. Bei einem Bürgerentscheid am Tag der Kommunalwahlen (9. Juni) sollen darüber nun die Bürgerinnen und Bürger entscheiden.

Menschen laufen in Ispringen an der Straße entlang
In Ispringen hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die sich gegen ein geplantes Neubaugebiet stellt.

Neubaugebiet soll junge Familien anlocken

Ispringens Bürgermeister Thomas Zeilmeier (CDU) hält das Neubaugebiet aber für dringend notwendig. Ispringen sei mit einem Durchschnittsalter von 45,6 Jahren eine der ältesten Gemeinden im Enzkreis. Eine so alte Bevölkerung sei ein Problem für die Steuereinnahmen, ehrenamtliches Engagement und für die örtliche Grundschule. Ein Neubaugebiet soll dagegen wieder junge Familien ins Dorf locken. Auch für den Naturschutz habe die Gemeinde Lösungskonzepte im Hinterkopf, so Zeilmeier. Als Beispiele nennt er begrünte Fassaden oder Grünflächen zwischen den Baugebieten.

In Ispringen gibt es seit Jahren keine Wohnungen, keine Häuser und keine Neubaugrundstücke mehr. Und wenn, dann ist es eine sehr rare Ware.

Flatterband steht vor einer grünen Wiese
Auf dieser Wiese bei Ispringen (Enzkreis) könnte ein neues Wohngebiet mit circa 400 Wohnungen entstehen.

Verdichtung vor Neubau

Die Bürgerinitiative fordert, zuerst die Flächen im Ortskern zu verdichten, bevor neu gebaut wird. Laut einem Gutachten, das die Gemeinde in Auftrag gegeben hat, gibt es allerdings nur einen Leerstand von knapp zwei Prozent. Die Bürgerinitiative zweifelt diese Daten an. Nach Angaben der Ortsverwaltung reichen zwei Prozent Leerstand nicht aus, um zu verdichten und den zukünftigen Bedarf zu decken, so Bürgermeister Zeilmeier. Er möchte im Neubaugebiet vor allem Mehrfamilienhäuser und betreutes Wohnen realisieren. Das soll vor allem Menschen, die aktuell in einem zu großen Haus leben, die Möglichkeit geben, sich zu verkleinern. Dann würden Einfamilienhäuser frei werden, die dann Familien beziehen könnten. 

Freiburg hat alternative Ideen: die Wohnungstauschbörse

Diesen Ansatz verfolgt auch die Stadt Freiburg: "In Freiburg gibt es nicht genügend Flächen, um mit Neubau hinterherzukommen, also brauchen wir Alternativen", sagt Hauke Quathamerhamer vom Referat für bezahlbares Wohnen in Freiburg. Mit der "Wohnungstauschbörse" geht die Stadt neue Wege, um Menschen zu ermutigen, ihre zu groß gewordenen Mietwohnungen aufzugeben - und denen zu überlassen, die den Platz dringender brauchen. Denn gerade wenn der Wohnungsmarkt in einer Stadt angespannt ist, haben viele Menschen Angst, den Wohnraum, den sie haben, aufzugeben. Auch wenn er eigentlich gar nicht mehr passend ist. Ein "Zuviel" an Wohnraum ungenutzt zu lassen, das will die Wohnungstauschbörse verhindern und stattdessen Menschen miteinander vernetzen, um die passende Wohnung für alle zu finden.

Die Wohnungstauschbörse ist eine Maßnahme, um neben der Schaffung von sozial geförderten Wohnungen im Neubau bezahlbares Wohnen zu sichern.

Mann recherchiert auf der Freiburger Wohnungstauschbörse
Hauke Quathamer vom Freiburger Referat für bezahlbares Wohnen steuert in der Stadtverwaltung die Wohnungstauschbörse. Damit unterstützt die Stadt Freiburg Menschen, die ihre Wohnung durch Tausch verkleinern, mit 2.000 Euro.

Gegen teures Wohnen - Wohnung tauschen "leicht gemacht"

Wie das funktioniert? Auf der Wohnungstauschbörse kann man sich mit seiner Wohnung anmelden und dann genau angeben, was man im Tausch dafür sucht. Hauke Quathamer vergleicht das Konzept mit einer Partnertauschbörse, wo man angibt was man sucht und bietet und dann im besten Fall schnell fündig wird. Das Besondere: Wer in eine kleinere Wohnung zieht, erhält eine Umzugsprämie von 2.000 Euro von der Stadt. So soll mehr Bewegung auf dem Wohnungsmarkt entstehen und bestehender Wohnraum besser und bedarfsgerechter genutzt werden. Einen solchen Tausch hat auch Anna Lena Gillmann aus Freiburg gewagt. Sie hat sich verkleinert und mit der Umzugspauschale auch eine neue Küche finanziert.

Ich hab getauscht aus einem wunderschönen Reihenendhäuschen in diese mindestens genauso schöne Wohnung, also ich habe mich verkleinert und genieße es sehr.

Durch die Wohnungstauschbörse entsteht jedoch nicht automatisch mehr bezahlbarer Wohnraum. In der Regel warten Tauschwillige, die sich vergrößern möchten, oft jahrelang auf ein passendes Angebot - wenn sie überhaupt eins finden. Ohne Neubau ist das zentrale Ziel der Stadt Freiburg, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, nicht zu leisten, so Hauke Quathamer. Nach einem Bürgerentscheid baut die Stadt Freiburg deshalb eins der größten städtischen Wohnungsprojekte bundesweit: den neuen Stadtteil Dietenbach, in dem 6.900 bezahlbare Wohnungen für etwa 16.000 Menschen entstehen sollen.

Dementsprechend reicht die Wohnungstauschbörse in Freiburg auch noch nicht aus, um wirklich allen bedarfsgerechtes und bezahlbares Wohnen zu ermöglichen. Sie kann außerdem nicht verhindern, dass durch den Tausch und Mieterwechsel unter Umständen die Mieten für die jeweiligen Wohnungen steigen. Ein Trend, der in ganz Baden-Württemberg unaufhaltsam scheint.

Lösungen für mehr bezahlbaren Wohnraum in BW

Um bezahlbaren Wohnraum zu sichern, erheben einige Städte deshalb eine Quote für den Anteil von sozial geförderten Wohnungen im Neubau. Nach Informationen der Stadt Mannheim haben bislang Stuttgart, Freiburg, Karlsruhe, Heidelberg (auf Konversionsflächen) sowie Offenburg eine solche Sozialquote. Außerhalb des Bundeslandes gebe es solche Quoten in Hamburg, München, Frankfurt am Main, Münster und Bielefeld. Im Mannheimer 12-Punkte-Programm ist durch die Sozialquote festgelegt, dass mindestens 30 Prozent der Neubauwohnungen ab zehn Wohneinheiten zum reduzierten Preis angeboten werden müssen - höchstens für 7,50 Euro pro Quadratmeter. So kann die Stadt Mannheim regulierend eingreifen, wenn städtische Grundstücke verkauft werden oder beim Baurecht für Neubauten auf die Sozialquote bestehen.

Sozialquote auf brachliegenden Flächen

In Heidelberg gilt eine Sozialquote vor allem auf Konversionsflächen - also Flächen, von denen Heidelberg nach dem Abzug der US-Armee Mitte der 2010er Jahre mittlerweile einige neu bebaut hat. Der Gemeinderat hat Leitlinien für die Entwicklung der Konversionsflächen beschlossen, um ausreichend Wohnungen für unterschiedliche soziale Gruppen zur Verfügung zu stellen und die Sozialquote passgenau einsetzen zu können.

Mit Erfolg: So werden zum Beispiel in der Konversionsfläche "Mark Twain Village" rund 40 Prozent der Wohnungen preiswert vermietet. Damit liegt die Sozialquote hier höher als im sonstigen Heidelberger Stadtgebiet.

 "Der Andere Park" in Heidelberg
Alte Elemente und neue Strukturen bilden den "Anderen Park" in Heidelberg

Sozialquote für Investoren unattraktiv

Für Bauherren sei die Sozialquote allerdings schwer zu handhaben, klagen sie. Die Einnahmeverluste durch günstige Mieten müssten durch noch höhere Mietpreise bei den übrigen Wohnungen wieder wettgemacht werden. Und das schrecke auch Investoren und Investorinnen ab.

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Mannheim setzt auch Geld aus der Städtebauförderung ein, um Bestandswohnungen zu modernisieren und so den Preis zu dämpfen: Das baden-württembergische Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen bezuschusst hier mit 10,6 Millionen Euro aus Städtebaufördermitteln. Die städtische Wohnbaugesellschaft GBG soll zudem Gebäude in allen Stadtteilen erwerben, um eine soziale Mischung zu erreichen.

Zentrales Thema der Kommunalpolitik: Wohnraum

Eine Stadt oder Gemeinde so zu planen, dass sie langfristig für alle den passenden Wohnraum bietet - das ist eine der wichtigsten Aufgaben der Kommunalpolitik. Dabei müssen die Gemeinden zum einen den demographischen Wandel mitdenken und vorausplanen, in dem sie mehr Betreuungs- und Serviceangebote beim Wohnen schaffen. Zum anderen müssen sie ausreichend sozial geförderten Wohnraum für Menschen anbieten, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Außerdem zieht es immer mehr Menschen vom Land in die Stadt, weshalb es in den Städten seit vielen Jahren mehr Wohnraum braucht, der immer teurer wird.

Kommunalwahl entscheidet über mögliche neue Wohnraumkonzepte

In Ispringen, Freiburg und auch in anderen Kommunen in Baden-Württemberg heißt es jetzt vor den Wahlen nochmal verstärkt: Welche Konzepte schaffen den dringend benötigten Wohnraum? Wo muss abgewogen werden zwischen Umweltschutz und Wohnungsnot? Mit ihrer Stimme entscheiden die Wählerinnen und Wähler auch darüber, in welcher politischen Zusammensetzung die Gemeinderäte in Zukunft nach Lösungen für bezahlbaren Wohnraum suchen.

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