Literaturpreis

Naturlyrik mit der Sprache der Philosophie - Monika Rinck erhält den Hölderlin-Preis

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AUTOR/IN
Kerstin Bachtler

Am Sonntag, den 12. Juni 2022, bekommt Monika Rinck in Bad Homburg den mit 20.000 Euro dotierten Hölderlin-Preis für ihre schriftstellerisches Gesamtwerk verliehen. Monika Rinck kam 1969 in der westpfälzischen Stadt Zweibrücken zur Welt und lebt mittlerweile in Berlin. Zu ihrem Werk gehören Essays, Prosatexte und Lyrik. Ihre Gedichtbände „Honigprotokolle“ und „Champagner für die Pferde“ wurden mehrfach ausgezeichnet, vor allem für ihre genaue Beobachtungsgabe, philosophische Tiefe und auch für ihren besonderen Humor.

Inspirationen auf dem Tübinger Friedhof

Im Jahr 2014 war Monika Rinck Stadtschreiberin in Tübingen, der Stadt, in der der Dichter Friedrich Hölderlin lange lebte und begraben liegt. Den Tübinger Friedhof hat Monika Rinck häufig besucht und sich von dem, was sie dort beobachtete, zu Gedichten inspirieren lassen.

Sie erklärt, wie vorsichtig und achtsam sie mit ihren Eindrücken umgeht, nicht nur auf dem Friedhof, sondern auch in anderen Situationen: „Ich versuche diskret zu sein, will ja nicht fremde Beerdigungen beobachten. Aber wenn ich aufschaue, gibt es die unterschiedlichsten Szenen, wie die Leute sich sammeln, ob sie heiter sind, ob sie traurig sind, aber dann wende ich mich meistens schon wieder ab, weil mir das indiskret vorkommt. Andererseits bin ich aber auch nicht hier, um nichts zu sehen. Und als der Rotdorn blühte, das war wunderschön.“

Gedichte und ihre Geschichte: „Der Quitte wegen" von Hölderlin-Preisträgerin Monika Rinck

Naturbeobachtungen in Lyrik wiedergeben - ein immer wieder neues Ringen

Dieser letzte Satz klingt fast schon wie eine Gedichtzeile. Doch so einfach macht es sich Monika Rinck nicht. Sie versuchte einmal, den blühenden Rotdorn in einem Gedicht zu würdigen – und scheiterte, aus Angst vor Kitsch.

Monika Rinck feilt genauestens an ihren Formulierungen, um jegliche Art von Kitsch, unlogischen Bildern oder aufgesetzter Dramatik zu vermeiden. Sie liebt Naturbeobachtungen und ringt immer wieder aufs Neue darum, sie angemessen in ihrer Lyrik wiederzugeben.

Für Leserinnen und Leser im 21. Jahrhundert angekommen

Das, was Monika Rinck braucht, damit aus einem Bild aus der Natur eine für sie stimmige Lyrik wird, findet sie in Kulturgeschichte oder der Philosophie. Indem sie sich darauf bezieht, verlässt sie die oberflächliche Ebene der reinen Beschreibung und verleiht ihren Texten eine größere Tiefe.

„Worum es mir geht, ist eine gewisse Fülle“, sagt sie. „Ich möchte nicht nur den Schaum abschöpfen, der sozusagen jetzt oben auf der Sprache schwappt, sondern die Sprache der Philosophie, die Sprache, die auch immer eine Grammatik des Denkens ist, der letzten Jahrhunderte mit aufnehmen, aber auch Denkbewegungen der Religion.“ Sprache ist für sie etwas, was man sich vorstellen könnte als Vertikale durch die Menschheitsgeschichte, „und dann freut mich natürlich zu hören, dass ich für manche Leserinnen und Leser offenbar im 21. Jahrhundert auch angekommen bin.“

Der Hölderlinpreis - eine verdiente Wertschätzung ihrer literarischen Leistung

Monika Rinck schafft es mit ihren Texten, den Blick und die Aufmerksamkeit ihrer Leser- und Hörerschaft zu schärfen, gleichzeitig ihren Geist zu wecken und sie zum Nachdenken anzuregen. Der Hölderlinpreis, den Monika Rinck jetzt zu ihren zahlreichen bisherigen Auszeichnungen bekommt, ist eine verdiente Wertschätzung ihrer literarischen Leistung.

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Kerstin Bachtler