Stapelweise häufen sich goldene Pesos auf dem Tisch der mexikanischen Hacienda Rosa Blanca. Doch Jacinto will das Land, von dem seine indigene Gemeinschaft seit Generationen lebt, nicht verkaufen. Für einen amerikanischen Erdölmagnaten aber ist der Wille von ein paar „Indianern“ kein Hindernis. Davon erzählt B. Traven in seinem Roman „Die weiße Rose“, der 1929 erstmals erschien.
Die Hacienda Rosa Blanca, von der B. Travens sozialkritischer Roman „Die weiße Rose“ den Titel hat, ist ein irdisches Paradies. Hier, in der mexikanischen Provinz Vera Cruz, leben die indigenen Bewohner in Harmonie und wollen diese einfache, aber glückliche Lebensform auch für ihre Nachkommen bewahren. Darum denkt Jacinto Yañez, der sich mehr als Treuhänder denn als Besitzer versteht, auch keine Sekunde daran, die Hacienda zu verkaufen, obwohl eine US-amerikanische Erdöl-Company ihm riesige Summen anbietet.
Die Vertreibung aus dem Paradies
Mit Grausen stellt sich Jacinto vor, was geschehen würde, wenn er das Angebot annehmen und dadurch alle Gemeindemitglieder heimatlos machen würde.
Wo einst die Orangen- und Zitronenbäumchen standen, wo einst die grünen Maisfelder waren, da stöhnten und ratterten jetzt fauchende Lastautos. Der Boden war schlammig und sumpfig von Öl, das entsetzlich stank und die Luft verpestete.
In seinem früheren deutschen Leben war B. Traven links und Anarchist, doch in keiner ideologischen Richtung linientreu. 1924 gelangte er nach etlichen Stationen auf abenteuerlichen Wegen nach Mexiko und wurde aus dem Stand zum literarischen Chronisten der regionalen Ausbeutungsverhältnisse im Schatten der übermächtigen USA.
Ein Erdölmagnat sorgt für Profit und Luxus
Denn es ist Mr. Collins, der Präsident der Condor Oil Company in San Francisco, der sich Jacintos Hacienda unter den Nagel reißen will. Was für die Mexikaner die Zerstörung der Natur und ihrer Gemeinschaft bedeutet, verspricht für ihn die Steigerung der Profite, mit denen er das Luxusleben für sich, seine Familie und seine Mätressen finanziert.
Betty, du sollst die eleganteste Jacht haben, und wenn du die Jacht des Königs von England außerdem noch haben willst, ich mache ihn bankrott und kaufe alle seine Jachten, Pferde und Schlösser auf der Auktion.
Traven liefert böse schillernde Ansichten vom Auftrumpfen der Superreichen. Natürlich ist das holzschnittartig. Doch genauso stellte sich die Realität der damals so genannten „Räuberbarone“ des amerikanischen Kapitalismus dar. Ganz abgesehen davon, dass weibliche Schönheit, Yachten und alles Hochpreisige nach wie vor zu den beliebtesten Statusobjekten von Milliardären gehören.
Kurt Tucholsky feierte Traven kurz nach Erscheinen von „Die weiße Rose“ im Jahr 1929 für das treffende Porträt des Ölmagnaten Mr. Collins. Die scharfsichtige Schilderung von dessen ebenso gewinnbringendem wie skrupellosem Handeln erreichte in seinen Augen das Niveau von Balzac.
Urszenen des Kapitalismus
Mr. Collins sah einen Menschen, und wusste, wie er ihn zu gewinnen hatte. Die einen brüllte er nieder, die andern redete er nieder, und wieder andere streichelte er nieder. Und wenn nichts half, schlug er sie zu Boden.
Natürlich ist die Hacienda vor dem Zugriff der Ausbeuter, die schließlich Gangstermethoden anwenden, nicht zu retten. Die ökonomische Logik und das gerade anbrechende Zeitalter ölhungriger Motoren lassen keinen Ausweg.
Travens ebenso farbig wie präzise ausgemalte Urszenen eines ungezähmten Kapitalismus sind nach wie vor ein fesselndes Lehrstück über Macht und Unterwerfung. Und gerade im Licht der postkolonialen Debatten von heute gewinnen sie eine ganz neue Brisanz.
Literatur zu indigenen Völkern
Buchkritik Pekka Hämäläinen – Der indigene Kontinent. Eine andere Geschichte Amerikas
Die indianischen Völker Nordamerikas erscheinen in den gängigen Darstellungen meist nur in einer Opferrolle. Doch inzwischen haben Historiker damit begonnen, ihre wahre Geschichte zu erforschen.
Buchkritik Adam Morris – Bird
Adam Morris wirft in seinem Kriminal- und Gefängnisroman „BIRD“ einen schonungslosen Blick auf die segregierte Gesellschaft Australiens. Die hält die Vorrechte der weißen Bevölkerung noch immer für selbstverständlich, während einem jungen Aboriginal wie dem 25-jährigen Carson nur eine Knast-Karriere offensteht.
Aus dem Englischen von Conny Lösch
Edition Nautilus, 304 Seiten, 20 Euro
ISBN 978-3-96054-340-4
Buch der Woche Tommy Orange - Dort dort
Was heißt es, heutzutage ein Indianer zu sein? Zwölf Native Americans auf dem Weg zu einem Powwow suchen nach einer Antwort auf diese Frage. Der Autor Tommy Orange weiß, wovon er schreibt: Er ist selbst Mitglied der Cheyenne und Arapaho Tribes.
Aus dem amerikanischen Englisch von Hannes Meyer
Verlag Carl Hanser
ISBN 978-3-446-26413-7
22 Euro