Susan Sontag gilt als eine der einflussreichsten Denkerinnen des letzten Jahrhunderts. Der Essayband „Über Frauen“ versammelt ihre wichtigsten Beiträge zu politischen, ökonomischen und ästhetischen Aspekten des Frauseins – die heute mindestens so relevant sind, wie zu Sontags Lebzeiten. Ein weiteres Mal erweist sich die Philosophin als kluge und aufmerksame Beobachterin der Gesellschaft, die ihrer Zeit weit voraus war.
In einem Beitrag für die Frauenzeitschrift Libre schreibt Susan Sontag, die Befreiung der Frauen sei eine notwendige Voraussetzung für den Aufbau einer gerechten Gesellschaft. Der Aufsatz ist Teil des Essaybands „Über Frauen“, den Susan Sontags Sohn, David Rieff, jüngst publizierte. Er enthält die wichtigsten Aufsätze von Susan Sontag zum Thema Frausein. Die US-amerikanische Autorin widmet sich darin politischen, ästhetischen und ökonomischen Aspekten und macht deutlich, wie sich unsere Vorstellungen von Geschlecht auf die Lebenswirklichkeit von Frauen auswirken.
Eine kritische Beobachterin, die ihrer Zeit voraus war
Sontag erweist sich dabei als kluge und aufmerksame Beobachterin der Gesellschaft. Wie ihre Bücher „Das Leiden anderer betrachten“ oder „Über Fotografie“ sind auch die Texte in diesem Band anspruchsvoll und doch gut verständlich. Sontag findet eine Sprache, die ihr eine präzise und wissenschaftlich fundierte Argumentation erlaubt und sich doch flüssig liest. Die Philosophin beweist ein weiteres Mal, dass sie ihrer Zeit weit voraus war. Die Denkmuster und Machtstrukturen, die sie in den USA der Siebzigerjahre offenlegte, lassen sich auch in der heutigen westlichen Gesellschaft beobachten.
Auch unbequeme Wahrheiten kommen ans Licht
Susan Sontag scheut nicht davor zurück, die Dinge beim Namen zu nennen. Auch solche, die vielleicht nicht gern gehört werden, etwa, dass die Befreiung der Frau unmittelbar an den Verlust männlicher Privilegien geknüpft ist. Oder dass Frauen zum Teil selbst an der Aufrechterhaltung repressiver Strukturen mitwirken.
Manche Passagen sind durchaus brisant, etwa wenn die Autorin die Geschlechterdiskriminierung mit der Rassentrennung oder Kolonialzeit vergleicht.
Hier erweist sich eine Anmerkung der Autorin als hilfreich: Sie erläutert, dass der Beitrag in der sozialistischen Frauenzeitschrift Libre erschienen ist, was die revolutionär-sozialistische Rhetorik erklärt. Eine Kontextualisierung wäre auch bei dem Beitrag über die umstrittene Regisseurin Leni Riefenstahl hilfreich gewesen. Dieser weicht nämlich inhaltlich von den vorigen Texten etwas ab und befasst sich vor allem mit Ästhetik und Faschismus.
Diskursfreude statt Dogmatismus
Ein Briefwechsel mit der Dichterin Adrienne Rich zeigt, dass Sontag in der feministischen Szene umstritten war. Sie distanziert sich auch selbst von Teilen der Frauenbewegung und betont, dass sie ihre „Texte nicht von A bis Z in den Dienst der feministischen Sache gestellt“ habe.
Sontag ist engagiert in der Debatte, schlagkräftig und selbstbewusst. Sie greift verschiedene Perspektiven auf, entkräftigt gekonnt gängige Klischees und benennt deutlich, was sich ändern müsste, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen:
Der Band knüpft also eng an heutige Diskurse an und ist beinahe erschreckend aktuell. Darüber hinaus können wir von der Philosophin einiges lernen, was den Umgang mit kontroversen Themen und festgefahrenen Debatten betrifft.
Wer entlang von Parteilinien denkt, so Susan Sontag weiter, produziere nichts als „intellektuelle Monotonie und schlechte Prosa“.
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Buchkritik Sigrid Nunez: Sempre Susan. Erinnerungen an Susan Sontag
Susan Sontag ist ein Popstar des 20. Jahrhunderts: Ihre Essays über "Camp" oder "Krankheit als Metapher" haben sie berühmt gemacht. Wer Sontag durchs Schlüsselloch in ihrem Leben betrachten will, hat nun mit Sigrid Nunez' Erinnerungsbuch "Sempre Susan" Gelegenheit. Rezension von Ulrich Rüdenauer. Aus dem Englischen von Anette Grube Aufbau Verlag ISBN 978-3-351-03849-6 142 Seiten 18 Euro
Buchkritik Susan Sontag – Wie wir jetzt leben
Ihre Essays haben Susan Sontag weltberühmt gemacht, sie gilt bis heute als wichtigste Intellektuelle der USA. Aber Susan Sontag schrieb auch Erzählungen. Eine Auswahl erscheint jetzt in neuer Übersetzung.
Rezensension von Christoph Schröder.
Aus dem amerikanischen Englisch von Kathrin Razum
Carl Hanser Verlag, 124 Seiten, 20 Euro
ISBN 978-3-446-26764-0
Buchkritik Benjamin Moser - Susan Sontag. Die Biografie
"Susan war aufgewachsen mit dem 'Versuch, zu sehen und gleichzeitig nicht zu sehen' , daher war Sehen für sie ihr Leben lang eine Anstrengung." Rezension von Barbara Dobrick. Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober Penguin Verlag ISBN 978-3-328-60159-3 924 Seiten 40 Euro