Donaueschinger Musiktage 2013

Erklären und verklären

Stand

Bastian Zimmermann und Christoph Haffter schreiben über ihre ganz persönlichen Eindrücke von den Donaueschinger Musiktagen. Ihre Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Es scheint ein entspannteres Donaueschingen dieses Jahr zu werden. Nur 14 statt 26 Werke stehen auf dem Programm.

Das Jazzkonzert ist am Samstag schon um 20 Uhr ("Die Jazzhörer werden auch immer älter") und selbst die morgendlichen Konzerte beginnen erst um 11 oder 12 Uhr. Das gründet sicher in der Großform, in den Großformen, die in diesem Jahr Thema sind. Ein Konzert, ein Werk, so ungefähr. Das verspricht, ja, behauptet einiges. Zuallererst einmal, dass der/die KomponistIn etwas grundlegender verstanden haben muss, dass er/sie irgendeinen Zusammenhang unter den Musiken, Instrumenten, Klängen oder Gesten gefunden haben muss, der in sich funktioniert, der in einer solchen Großform einen Abschluss findet, der einmal komplett umrundet wird. Warum auch sonst begehrt man das Monströse...!

Was beinhaltet eine Großform noch?

Es scheint eine rein musik-o-logische Formulierung zu sein. Wer sie behauptet, muss wohl mehrere syntaktische oder semantische Schichten entwerfen, eventuell über diverse Referenzen zur Lebenswelt, die dann zu einer Narration geformt werden. Denn letztlich wird es wohl immer um ein angemessenes oder gelungenes Verhältnis von Komplexität (der Einzelteile) und Einfachheit (des Ganzen) gehen, etwas, das der Experimentalpsychologe wohl über ein jedes Werk behaupten wollen würde, ich aber meine so etwas wie die "Große Einfachheit": Motivisch-thematische Arbeit bei Bruckner, die "unendliche Melodie" bei Wagner - und das in neu! Mal schauen, was kommt. Unter anderem eine Zeitreise vom Beginn des Universums bis heute!

Wie reagieren, kritisieren?

Großformen sind ihrer Tendenz nach Monster, Monstren des Absoluten, die alles erklären, verklären oder das Unaussprechliche in Form von gewaltigen Welten des Dies- und Jenseits auffangen. Auch wir können nur versuchen, dies alles zu erklären, minutiös auf die letzte Note, oder zu verklären, mit neuen, dem Werk unbewussten Seinsebenen, oder es eben den Werken gleichtun und das Unfassbare, Globale ästhetisch einfangen. In Donaueschingen natürlich in Form von gewaltigen Schwarzwaldlandschaften, denn irgendeine Verbindung muss es ja zu dem verwunschenen Ort am Donau-Ursprung geben!

Neue Geschichten erfinden

Wir versuchen all dies. Wir suchen nach dem Dispositiv des Werkes, wir erfinden neue Geschichten dazu, und ein Bild zu jedem Werk kann auch schaden.
Kleiner Exkurs: Anfangs dachte ich ja, Donaueschingen wäre Wacken gleich, beides Dörfer, die einmal im Jahr von tausenden illustren und obskuren Gestalten heimgesucht und in Beschlag genommen werden, jedes natürlich auf seine Weise, hier die Hochkultur mit Kaffeekränzchen, da die Subkultur mit Bierkränzchen. Dieses Jahr ähneln die Musiktage eher Bayreuth...

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Autor/in
SWR