Donaueschinger Musiktage 2013

Die Gewitterwolken ziehen wohl nie vorüber

Stand

Bastian Zimmermann und Christoph Haffter schreiben über ihre ganz persönlichen Eindrücke von den Donaueschinger Musiktagen. Ihre Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Heute erst um 12 Uhr versammelte sich die Gemeinde in den Donauhallen zu Donaueschingen. Der Saal ausverkauft. Der Applaus blieb gemäßigt, die Musiker der musikFabrik aber wurden gefeiert. Nun aber zu den Stücken.

Hector Parra, "I have come like a butterfly into the hall of human life" von 2009:

Von 2009? Ich dachte es gäbe nur Uraufführungen? Da muss ich gleich mal nachfragen...nun gut, das Licht wurde abgedunkelt, Parra bereitete den Zuhörern vier elektroakustische Szenen vor, angeregt durch den letzten Text von Chlebnikov, den man aber auch gleich wieder vergessen konnte. Geboten wurden 20 Minuten elektroakustische
Materialitäten, in den Raum über etliche Lautsprecher projizierte Klangwelten, unterstützt durch das Ircam aus Paris. Tiefe Bässe und flirrende Klänge, die sich irgendwo zwischen Zwitschern, Wabern, Schwabern, Klitschern, Sirren und Säbelgeklirre aufhielten, allein die Intensitäten der Klänge, ihrer Verdichtung und Zerstäubung forderten den Fortgang des Stückes. Desöfteren befand ich mich in einem elektronischen Dschungel, nicht etwa aufgrund unklarer Narration, sondern aufgrund der vielen Tiere. Feenhafte Stimmen stieben durchs Dickicht (...kurz zuvor erinnerte mich Christoph an die Tatsache, dass französische Komponisten, Parra ist zwar Spanier, aber schon länger in Paris lebend, gerne sehr direkt auftragen, feenhafte Stimmen inklusive).

Massage der Sinne

Kurz nach Beginn der ersten Bassdrones flammte zudem auf der dunklen Bühne ein beleuchtetes Seil auf, von Decke bis zum Boden. Erst blau, später rot, dann bunt, schließlich flackernd. Die leuchtende Linie folgte einer Narration, die mir fremd blieb, die mir fremdelte. Sie verblieb mir zur Massage meiner Sinne. Eindrücke empfangen, aufnehmen und nicht weiter verarbeiten...plötzlich schlug das auf die Klänge zurück und ich verblieb - "I have come like a butterfly..." veränderte sich nicht merklich in Zustand und Stimmung - in dieser Haltung, die Klänge kamen und gingen und dann war schon auch das Stück vorbei. Wie viele elektroakustische Werke, ist auch dieses eins, das beeindrucken will und damit immer in der Ambivalenz stecken bleibt, der Idee oder den Möglichkeiten und ihrer Demonstration zu folgen.

Raphael Cendo, "Registre des lumieres":

Dieses Werk beanspruchte im Vorfeld der Programmlektüre wohl das höchste Maß an Vollendung der Großform, die ja eine des Lebens ist. Geburt und Tod. Oder besser noch eine Form, die noch nicht abgeschlossen wurde, das Universum! Boaahh...
Genug der Ironie. Es ist ja wirklich faszinierend und unbegreiflich das Universum. Cendo nennt die Markierungen dieser Geschichte Lichter. Von Schöpfung und ähnlichem spricht er zum Glück nicht. Der Knall kommt zu Beginn trotzdem, und ab da beginnt die 50tägige, mmh, -minütige Tournee durch die Geschichte des Universums: Anfang, Erster Mensch, Zivilisation. Und auch hier tritt ein, was Christoph verlauten ließ: Cendo greift zu allen Unfassbarkeitsmetaphern der neuen Musik, die man kennt. Grollen, enge Cluster des Chores, das Hervortreten einer einzelnen Stimme, Glissandi und Geschrabbel der Streicher, eine gesamtträge Clustermasse mit Tendenz nach oben.

Keine Überforderung

Spannend bleibt es trotzdem, denn die Musiker der musikFabrik sind unglaublich bei der Sache, involvieren sich in das Stück. Das liegt sicherlich auch an den von Cendo sehr sparsam verteilten Einsätze, die den Musikern - so schien es zumindest - auch in der Notation diesen Freiraum zur Hingabe bereit stellten. Das Repertoire an Spieltechniken war für jedes Instrument sehr klar und begrenzt, keine Überforderung, jeder trägt nach und nach zu dem Hörspiel bei. Das kann auch Nachteile haben. Unterdessen bekam man den Eindruck, dass die Kunst dieses Stückes darin bestand, den gemäßigten Bestand an Spieltechniken möglichst spannend und variationsreich so zu verteilen, dass man nach nichts Neuem greifen musste.

Die Kapitel oder Akte unterschieden sich durch ein Ausfaden nach den jeweiligen Höhepunkten. Das eigene Gemüt beruhigte sich mit ihnen, doch das Donnergrollen, das Gewitter hebt sich wieder aus dem Hintergrund, es ist noch nicht vorüber.

Die einzige, bleibende Frage: Ist es das, was unserem Universum bleibt? Wird das Gewitter niemals vorüberziehen?

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Autor/in
SWR