Donaueschinger Musiktage 2013

Neue Musik braucht die Finanzierung

Stand

Bastian Zimmermann und Christoph Haffter schreiben über ihre ganz persönlichen Eindrücke von den Donaueschinger Musiktagen. Ihre Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

...so die einhellige Meinung aller am gestrigen Abend auf dem Podium versammelten ProtagonistInnen zeitgenössischer Kulturproduktion.

Gesprächsrunde I. Mit Gabriele Forberg-Schneider, Michael Roßnagl, Theo Geißler, Roland Diry. Moderation: Meret Forster und Stefan Fricke.
V.l.: Meret Forster; Theo Geißler; Gabriele Forberg-Schneider; Roland Diry; Michael Roßnagl; Stefan Fricke

Die Stifter, namentlich Gabriele Forberg-Schneider von der gleichnamigen Stiftung und Michael Roßnagl von der Ernst-von-Siemens-Stiftung, beglaubigten ihr Gutmenschentum auf überzeugende Weise. Frau Forberg-Schneider konterkarierte sogar ihre Stellung mit einer äußerst sympathischen verschrobenen und direkten Art, indem sie von ihren Kindheitserinnerungen erzählte, von St. Martin und der geschwisterlichen Suppenaufteilung im Internat, sowie der Kraft die Freundschaftskreisen innewohnt, Dinge auf den Weg zu bringen. Als junger Komponist konnte man da erstmal gar nicht mehr aufmucken und seinen Unmut konstatieren, dass doch diese Auswahlverfahren von Stiftungen monopolistisch und hierarchisch seien. Roland Diry, der Geschäftsführer vom Ensemble Modern mokierte, dass ein Ensemble mit dieser über dreissigjährigen Tradition immer noch keine feste Förderung erhalte. Derzeit mache die Basisförderung 13 Prozent ihres Gesamtetats aus.

Stichwort des Abends: Projektförderung

Ein Thema unserer Zeit, das erst in der zweiten Hälfte, nun mit neuen Gästen, ins Zentrum gerückt werden sollte. Volker Hormann vom Solistenensemble Kaleidoskop konstatierte, dass eine Arbeit, die das Ensemble, ohne einen Text im Vorhinein für einen Förderantrag formulieren zu müssen, angegangen sei, sowohl von den Künstlern als auch den Zuhörern als gelungener empfunden wurde. Nicken allerseits. Aber was soll man dazu sagen. Abschaffen möchte man die privaten Stiftungen ja nun auch nicht. Sehr präzise und ehrlich war in dieser Hinsicht auch Christina Weiss, ehemals Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, eine Politikerin, die sich mit dem Ausscheiden aus der Politik auch jeglicher Legitimationszwänge entledigt hat, und die Missstände beim Namen nannte; dass es drei Opern in Berlin gibt und das meiste Geld vom Bund in solche oder noch größere repräsentative Institutionen fließt, ist klar und wird sich nicht ändern.

Blick ins europäische Ausland

Nur kurz wurde der Blick ins europäische Ausland geworfen, nach Belgien, einem Land, das die Förderung nicht nach Sparten trennt, oder Schweden, wo der Staat Unmengen mehr an Kulturförderung von freien Szenen betreibt. Diese realen Möglichkeiten, Dinge anders anzugehen, wurden leider nur am Rande gestreift. Schweden ist aber tatsächlich ein Land, das bei der Förderung von Musikszenen exemplarische Arbeit leistet. Kulturförderung kann nämlich auch gelingen: Ich erinnere mich an einen popmusikalischen Auftrag, vom Staate Schweden ausgehend, an einzelne Musiker der Elektronik-Jazz-Band Jaga Jazzist und dem Singer-Songwriter Thomas Dybdahl, die perfekte Popband zu formieren und ein Album zu produzieren. Heraus kam "National Bank" mit dem gleichnamigen Album, in Schweden groß gefeiert, zwei Jahre später folgte das nächste Album. Und ich muss sagen, ich habe selten so gut gesetzten und so gut produzierten Pop gehört.

In Deutschland noch unvorstellbar

Ein solches Projekt ist in Deutschland noch vollkommen unvorstellbar, wo derzeit den Privatsendern die "Förderung" popmusikalischer Inhalte überlassen wird. Und diese Trennung der Sparten führt wohl auch zu den Phänomenen, denen sich junge Komponisten heute ausgesetzt sehen. Die Regeln sind eng gefasst, man benötigt einen gewissen elaborierten Code, um seine Projekte an die Stiftung zu bringen. Eine prinzipielle Förderung einer Gruppe oder einer Person für zum Beispiel vier Jahre, aus der Überzeugung heraus, da muss was Gutes bei rauskommen, unabhängig der Sparten, ist in Deutschland nicht vorstellbar.

Der neuen Musik die Nabelschnur abschneiden?

Oder sollte man da doch, wie Konrad Boehmer zitiert wurde, der neuen Musik die Nabelschnur abschneiden? So dass die Komponisten ins Moloch der Gesellschaft gestürzt, trunken von Alkohol und Drogen, die neuen Beatniks werden? Doch das bleibt jedem Künstler selbst überlassen, ob er sich fördern lässt oder nicht. So wie aber derzeit die Oberfläche der deutschen Festivals für neue Musik und ihre Protagonisten in Erscheinung treten, muss man sagen, da hat sich etwas eingefahren, eingeschliffen (Dekor Experiment), das so auf Dauer der Kreativität wenig Raum lässt. Vielleicht wäre da tatsächlich mal ein Stifter an der Reihe, nicht nur etwas zu fördern, sondern etwas zu fordern, das nicht den derzeitigen Maßstäben folgt, das die Sparten für nichtig erklärt und damit künstlerische Anliegen in den Mittelpunkt stellt, die offen für jedwedes Künstlertum sind. Denn dann müssten einige Neue-Musik-Komponisten mal ihren Blick öffnen und sich mit mehr als der Tradition und Förderrichtlinien und dem Status-Quo auseinandersetzen und könnten trotzdem gefördert werden. (Die Verrohung der Sinne, nach dem eigentlichen Alt-68er Theo Geißler, ist eine Unmöglichkeit, eine Un-Kategorie)

Das perfekte Maß an Klanginszenierung

Achso, wirklich bemerkenswert waren die musikalischen Beiträge vor und nach den Diskussionen. Hier insbesondere "Finito ogni gesto" von Francesco Filidei, ein Werk mit einer wunderbaren Redundanz der Mittel, die zum Ende sogar ironisch gewendet, unter dem mehrmaligen synchronen Wenden der Notenblätter, das perfekte Maß an Klanginszenierung und -narration darboten.

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Autor/in
SWR