Wenn der Dirigent Reinhard Goebel über Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium spricht, dann nicht mit Kniefall und Weihrauch. Der Alte-Musik-Experte nähert sich dem Notentext mit Lupe und unstillbarem Forscherdrang. Für SWR2 beleuchtet er in sechs Folgen die sechs Kantaten – humorvoll und hintergründig und mit unfrisiertem Zugriff aufs scheinbar Vertraute. In Folge 4 beleuchtet Goebel das besondere Horn-Kolorit der Neujahrs-Kantate und rühmt die kompositorische Meisterschaft, die Bach auch hier in den Dienst Gottes stellte.
Musik fürs Auge und für fremde Hornisten
Die vierte Kantate zum Neujahrstag bringt eine neue Farbe in Bachs „Weihnachtsoratorium“. Sie hängt mit zwei Instrumenten zusammen, „die es in Leipzig nicht gab“, so Reinhard Goebel. Denn Hörner gehörten nicht zur Leipziger Ratsmusik, sondern zum begleitenden Hofstaat des Königs. „Es müssen also zwei fremde Hornisten nach Leipzig gekommen sein, wie später dann die drei fremden Könige nach Bethlehem.“
Das Neujahrsfest bietet nur wenig biblische Anhaltspunkte. Entsprechend kurz fällt der Evangelientext aus, den Bach vertont. Und doch schaffe sich Bach immer wieder Räume – „eine Sphäre kompositorischen Anspruchs“ –, um seine Meisterschaft als Komponist zu zeigen. So etwa im Duettieren von Sopran und Bass: Hier greift Bach auf eine rhetorische Augenfigur, also eine ganz sinnbildliche Vertonungsweise zurück. Sie reiche zurück bis Monteverdi, wie Goebel erläutert.
Oder in der virtuosen Tenorarie „Ich will nur dir zu Ehren leben“. In ihr stelle Bach nicht nur sein ganzes kompositorisches Können unter Beweis, sondern stelle dieses zugleich auch in den Dienst Gottes.