Urlaubszeit ist Lesezeit. Ob am Meer, in den Bergen oder bei Regenwetter, lesen lässt es sich immer gut.

Wetter, das literarische Helden auf dumme Gedanken bringt

Heiße Seiten: 6 wettergeprägte Buchtipps für den Sommerurlaub

Stand
Autor/in
Frank Hertweck
Kristine Harthauer
Kristine Harthauer, SWR Kultur Autorin und Moderatorin
Nina Wolf
Katharina Borchardt
Literatur-Redakteurin und Moderatorin Katharina Borchardt
Alexander Wasner
Alexander Wasner, Autor und Moderator bei SWR Kultur
Katrin Ackermann
Onlinefassung
Nina Wolf

Heute kann es regnen, stürmen oder schneien: Auf welche Ideen kommen literarische Helden und Heldinnen, wenn das Wetter sie zum Handeln treibt?

Wetter: Mehr als ein Small-Talk-Thema

In Emily Brontës „Sturmhöhe“ spiegeln die ungezähmen Stürme die leidenschaftlichen und turbulenten Gefühle der Charaktere wider. In Charles Dickens‘ „Große Erwartungen“ dient der dichte Nebel als Metapher für die Unsicherheit und Verwirrung des Protagonisten Pip. Die brütende Hitze in New York in F. Scott Fitzgeralds „Der große Gatsby“ unterstreicht die Spannungen und die Konflikte zwischen dem Personal.

Das Wetter, in all seinen Extremen, spielt in der Literatur oft eine bedeutende Rolle, weit über seine bloße Funktion als Kulisse hinaus. Wetterphänomene nutzen Autoren und Autorinnen, um Stimmungen zu erzeugen, Charaktere zu zeichnen oder Handlungsstränge voranzutreiben. So werden in stürmischen Nächten gerne die dunkelsten Geheimnisse enthüllt. Von Schneestürmen in die Enge getrieben, gibt es einen Showdown. Wind und Wolken lenkten in der Literaturgeschichte so manchen Lauf der Geschichten.

Hitzige Lektüren?
Hitzige Lektüre? Wetterphänomene werden in der Literatur oft genutzt, um Stimmungen zu erzeugen oder Handlungsstränge voranzutreiben.

Sommerlektüren, die das Wetter in den Mittelpunkt stellen

Pünktlich zu den Sommerferien stöberte die SWR Kultur Literaturredaktion deshalb in ihren Bücherregalen. Gesammelt haben sie Buchtipps, in denen Wetter kein Randphänomen ist, sondern den Plot prägt. Was passiert, wenn die Hitze drückt oder der Schneesturm einen einsperrt? In diesen sechs Romanen stellen sich dich Protagonisten und Protagonistinnen Dauerregen, Hitzewellen und stürmischen Böen.

Das extreme Wetter bringt die literarischen Helden und Heldinnen an ihre Grenzen: Von turbulenten Liebesgeschichten, echten Klassikern, sogar bis hin zu Mord, ist hier alles dabei.

Ein mörderischer Hitzeklassiker

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Ein Mord – warum? Die Sonne ist schuld. Albert Camus „Der Fremde“ ist einer der wichtigsten Romane der Weltliteratur und ein echter Hitzeklassiker. Der Roman beginnt mit einem der berühmtesten ersten Sätze der Literaturgeschichte.

„Heute ist Maman gestorben. Vielleicht auch gestern, ich weiß nicht.“

Im Mittelpunkt des Romans, der weithin als ein Meisterwerk des Existentialismus gilt, steht Meursault. Die Handlung entfaltet sich vor dem Hintergrund des heißen, sonnendurchfluteten Algeriens. Camus‘ Roman ist eine tiefgehende Untersuchung der Absurdität des Lebens und der Isolation des Individuums in einer gleichgültigen Welt. Frank Hertweck, SWR Kultur Literaturchef, hat „Der Fremde“ als fesselnde und provokative Sommerlektüre nochmal gelesen.

Ein flirrender Frankfurtroman

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Nicht mal in den Nächten kühlt das Frankfurter Bahnhofsviertel richtig ab. Ein ganzes Buch voller flirrender, fiebriger Hitze ist Martin Mosebachs Roman „Der Mond und das Mädchen“. Es spielt in einer sommerlichen Hitzewelle in Frankfurt und bringt Welten zusammen, die sich sonst wohl nicht begegnen.

Das Buch erschien 2007, als Martin Mosebach den Büchner-Preis bekam und wurde damals für den ersten Deutschen Buchpreis nominiert.

Ein stürmischer Provence-Roman

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Der Mistral ist ein fieser Wind. Er kann zu jeder Jahreszeit auftreten und quält vor allem Südfrankreich. Was überrascht: Er kommt nicht vom Mittelmeer, sondern zieht übers Festland. Deswegen ist er auch so trocken.

In Maria Borrélys Provence-Roman „Mistral“ stemmen sich alle dem Wind entgegen. Auch die fröhliche Bauerstochter Marie, die sich leider unglücklich in Olivier verliebt, den Knecht der nahegelegenen Ölmühle. Daraus entspinnt sich ein schweres Liebesdrama.

„Mistral“ erschien schon 1930, ist also fast hundert Jahre alt. Gerade wird Maria Borrély wiederentdeckt. Was für ein Glück, findet Literaturredakteurin Katharina Borchardt. Denn „Mistral“ erzählt nicht nur von einem jungen Mädchen, sondern auch von einer alten, sich verändernden Landschaft. Sie meint: Man kann „Mistral“ auch als frühen Klimaroman lesen.

Ein windiger Krimiklassiker

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In Südfrankreich kennt man den Mistral, in Südkalifornien den Santa Ana. Stürmische Fallwinde sind sie beide, wobei ein Santa Ana ein heißer Wüstenwind ist, der im Becken zwischen den Rocky Mountains und der Sierra Nevada entsteht und dann heftig Richtung Pazifik weht. „Red Wind“ – Roter Wind – wird er auch genannt, denn ein Santa Ana ist voller Wüstensand.

„Red Wind“ (dt. Titel: Blutiger Wind) ist eine Story von Raymond Chandler. Die Erzählung ist eine von fünf Kriminalstories in „Der König in Gelb“.

Wie immer bei Chandler geht es um die verworrenen Verhältnisse im kapitalistischen Wahnsinn. Aber eines ist diesmal anders. Chandlers Geschichte wirbelt die Figuren und ihre Beziehungen so durcheinander, dass alles möglich scheint: Man kann den Boden unter den Füßen verlieren oder einen freien Kopf bekommen, findet Literaturredakteurin Kristine Harthauer.

Gefühlssturm auf Rügen

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Wenn die Gedanken im Kopf dem tobenden Ozean gleichen – dann springt Ida, die Protagonistin in „Windstärke 17“, genau dort hinein. Nach dem Tod ihrer Mutter sucht Ida Zuflucht auf der Insel Rügen und findet Ablenkung während ihrer waghalsigen Schwimmeinsätze in der Ostsee.

Bereits mit ihrem Debüt „22 Bahnen“ erzielte Caroline Wahl große Erfolge. Der klare und rhythmische Erzählstil der Autorin überzeugt viele Lesende. Das prägende Element in beiden Romanen: Wasser. In der Fortsetzung „Windstärke 17“ zieht sich der Himmel nochmal mehr zusammen und das unruhige Inselwetter kommt dazu. Für Katrin Ackermann ist die Geschichte um Ida mitreißend, nah am Leben und trotz der traurigen Momente auch erfrischend.

Ein satirischer Klimakrisen-Roman

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Die Umwelt schlägt zurück. In T. C. Boyles Roman „Blue Skies” müssen es die Protagonisten mit fiesem Unwetter und so manchem Getier aufnehmen. Hier ist nicht nur das Wetter zu Superlativen fähig, sondern auch das Personal des Romans. In T. C. Boyles Roman ist die Klimakrise schon längst angekommen.

Über den Dauerregen in Florida, der die gelangweilte Cat in ihrem Strandhaus an ihre Grenzen bringt, schreibt Boyle absurd und komisch, so dass der Roman großen Lesespaß bringt, meint Literaturredakteurin Nina Wolf.

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