Lesung

Eliot Weinberger – Engel und Heilige

Stand
Redakteur/in
Lukas Meyer-Blankenburg

Eliot Weinberger beschäftigt sich in seinem kuriosen Essay „Engel & Heilige“ mit der Frage: Gibt es Engel?

Gibt es Engel – und wenn ja: wie viele, wie sehen sie aus und was machen sie genau?

Eliot Weinberger beschäftigt sich in seinem kuriosen Essay „Engel & Heilige“ ganz nüchtern mit den Fragen, die sich Menschen seit Jahrhunderten über die „himmlischen Heerscharen“ stellen.

Eine Lesung von Eva Irion

„Laut Blasco Lanuza haben die Schutzengel zwölf Aufgaben: uns zu unterweisen, zwischen uns und Gott zu vermitteln, Gefahren vorzubeugen, den Teufel zu bekämpfen, uns zu tadeln, uns zu trösten, uns zu führen, unsere Versuchungen zu mäßigen, uns zu verteidigen, uns aus Notlagen herauszuhelfen, uns zur Tugend anzuhalten und uns liebevoll zu bestrafen.

Christopher Smart formulierte es im 18. Jahrhundert schlichter:

In der Not ist mein Engel jederzeit bereit, springt mir bei und baut mich auf.

Francesco Albertini sagte im 17. Jahrhundert, sie hälfen uns bei den sieben Hauptleiden, bei denen „wir auf Beistand angewiesen sind“: Torheit (womit vor allem Sinnesfreuden gemeint sind), Hast, Trägheit, Angst, Einfältigkeit, Stolz und Gefühllosigkeit.

Sie sehen alles; sie versetzen Berge und die himmlischen Sphären; dank ihres „Engelantriebs“ bewegen sie sich mit einer Geschwindigkeit fort, „die unsere Fantasie übersteigt“; sie ermüden nie. Obwohl ihnen keine unserer Taten verborgen bleibt, sind sie nicht in der Lage, unsere Gedanken zu lesen. Jedoch fragen sie Gott mitunter, was wir denken.

Die Frage kam auf, wie Schutzengel Ratschläge erteilen können, wenn sich menschliches Leid womöglich ihrem Verständnis, ganz sicher aber ihrer Erfahrung entzieht, und wenn sie offenbar nicht imstande sind, eine neue Situation zu erfassen.

Noch dazu scheinen Schutzengel ihre Pflichten immer wieder zu vernachlässigen, wenn sie Unfälle geschehen lassen, wenn Füße gegen Steine prallen und Versuchungen von Erfolg gekrönt sind. Dies, so Thomas von Aquin, sei nicht auf „die Nachlässigkeit der Engel“ zurückzuführen, „sondern auf die Bosheit der Menschen“.

Unklar, wie die Engel ihre Zeit einteilen, wann sie Gott im Himmel dienen und wann sie ihren Schützlingen auf Erden beistehen. Johannes von Damaskus hatte klar gesagt, die Engel seien „nicht im Himmel, wenn sie hier bei uns sind“. Haben sie uns im Umkehrschluss also im Stich gelassen, wenn sie in einem bestimmten Moment im Himmel waren?

Wie üblich hatte Thomas von Aquin die Antwort parat:

Ein Engel mag einen Menschen zuweilen örtlich verlassen, doch verlässt er ihn darum nicht, was seine Schutzwirkung angeht: Denn selbst im Himmel weiß der Engel, was dem Menschen geschieht; noch braucht er Zeit, um sich von einem Ort zum anderen zu bewegen, kann er doch im Nu beim Menschen sein.

Die mittelalterlichen Gelehrten fragten sich, welche Gefühle die Engel, sofern sie Gefühle haben, wohl für ihre Schützlinge hegen: Sind sie stolz auf Erfolge und beschämt über Sünden, oder stehen sie buchstäblich über all dem, gewissermaßen wohlwollend distanziert?

Andere glaubten, sie würden lediglich über ihre Schützlinge wachen und gute sowie schlechte Taten für einen abschließenden Bericht festhalten, der nach dem Tod des Schützlings über dessen Aufnahme in Himmel oder Hölle entscheide. Wie Increase Mather sagte:

Bedenkt, dass die Engel die Zuschauer eures Benehmens sind. Benehmt euch, als wären die Augen der Engel auf euch gerichtet. Denkt oft: Steht nicht ein Engel dort neben mir?

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