Lecker Lektüre: Koch Sean Sherman schreibt in „Der Sioux-Chef“ über die indigene, amerikanische Küche.
Cola, Fritten, Burger – die amerikanische Küche hat keinen guten Ruf. Einer, der ganz bewusst dagegen ankocht, ist der Restaurantbetreiber und Koch Sean Sherman. Als Vertreter der indigenen Bevölkerung wirbt er mit seinem Kochbuch „Der Sioux-Chef“ für traditionelle Gerichte – und trifft damit auch hierzulande offenbar bei vielen genau den Geschmack.
Eines, was man über den Koch Sean Sherman wissen muss: Er ist ein Profi.
Er ist nicht nur ein Profi-Koch, nicht nur der Sioux-Chef, der die indigene Küche Nordamerikas wieder auf den Speiseplan der Welt bringen möchte – er ist auch ein Medien-Profi. Hier zum Beispiel ist er Gast bei einem TED-Talk.
Beim Ted Talk trägt Sherman ein schwarzes Jackett, ein schwarzes T-Shirt – und die langen dunklen Haare zu zwei Zöpfen geflochten. Dieses Outfit ist eine Mischung aus Start-up und Tradition, ähnlich wie seine Küche ist Shermans Kleidung ein Statement. Auch beim Interview für SWR2 lesenswert in einem Hotel in Berlin trägt Sherman wieder dunkle Kleidung und Zöpfe, seine Botschaft bringt er routiniert rüber.
Es ist ein kleines Wunder, dass Sherman hier in Berlin sitzt, dass er indigenes Essen kocht und auch dass er überhaupt eine Karriere als Koch begonnen hat. Für einen Jungen, der 1974 in einem Reservat geboren wurde, ist all das nicht selbstverständlich:
Eines der vielen Probleme in Reservaten wie Pine Ridge ist die Ernährung, sagt Sherman:
Kochen war für Sean Sherman schon in jungen Jahren eine Berufung – er arbeitete in verschiedenen Restaurants, lernte französisch zu kochen, italienisch, spanisch. Und – so erzählt er es - irgendwann ging ihm auf: Es gibt so gut wie keine Restaurants für die Küche der native americans.
In seinem Kochbuch, das unter dem Titel „Der Sioux Chef. Indigen kochen“ gerade auf Deutsch erschienen ist, beschreibt Sherman diese Erkenntnis:
Shermans Kochbuch ist das Ergebnis einer langen Recherche, er las in botanischen Büchern, darüber wie die native americans die Pflanzen und Wildtiere Nordamerikas zubereitet haben. Oder besser: zubereitet haben könnten. Denn auch wenn er lange Gespräche mit den Ältesten verschiedener Ethnien führte – vieles von dem Wissen über die ursprüngliche Küche war nicht mehr vorhanden.
Denn mit der räumlichen Eroberung Nordamerikas ging auch eine kulinarische Verdrängung einher – sagt der Ethnologe und Journalist Sebastian Scheelhaas, der vor allem zur Indigenen Ernährung in Nordamerika geforscht hat. Für ihn öffnen indigene Köche wie Sean Sherman ein Fenster in eine Welt, über die man meist nur wenig weiß.
Sherman selbst versteht unter indigener Küche keine ethnologisch korrekte Museumsküche, eher ein Experiment, in seinem Kochbuch „Der Sioux-Chef“ verwendet er wilde Zwiebeln, wilden Knoblauch, Knollen, Kartoffeln. Aber auch Gräser, Gewürze, Beeren, Wachteleier, Elch, Bison und Ente – das sind einige der Hauptzutaten seiner Küche.
Zu Shermans Buch-Promotiontour in Europa gehört auch ein Dinner im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Der Saal des Restaurants „Weltwirtschaft“ ist ausgebucht, an meinem Tisch sitzen drei junge Frauen.
Das Menü beginnt mit Süßkartoffel, Ahorn Chilli-Crisp und frittiertem Salbei. Warm, süss und cremig.
Später gibt es Kürbis-Apfel-Suppe, Maisbrei und gebratene Ente, mariniert mit Ahornsirup und Zeder. Lilly, Therinka, Pheli und ich finden: alles schmeckt sehr nach dem, was es ist. Der Kürbis schmeckt vor allem nach Kürbis, die Ente nach Ente. Lilly sagt, es schmecke sogar „clean“. Mir fehlt etwas Salz und Pfeffer. Was während des Dinners auch deutlich wird: Sean Sherman ist nicht nur Koch und Marketing-Profi – er hat eine politische Agenda, sein Kochbuch ist Teil einer indigenen Bewusstseinswerdung.
Essen ist also nicht nur Essen – es ist eine Haltung. Wobei – neben dem Bedürfnis nach Salz und Pfeffer bleibt auch der Nachgeschmack eines Zweifels haften. Denn: immerhin sitzen beim Dinner im Haus der Kulturen der Welt nicht nur Lilly, Therinka, Pheli und ich am Tisch, sondern auch die eigene Prägung, literarische Figuren wie Winnetou und die sehr alte Idee vom edlen Wilden. Was bleibt, ist die vage Befürchtung, dass man sich hier auch den antikolonialen Gestus als exotische Zutat übers Essen träufelt.
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