Buchkritik

Björn Vedder: Rosa. Vom Zauber einer Farbe

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Autor/in
Daniel Stender
Daniel Stender

In seinem Buch „Rosa. Vom Zauber einer Farbe“ untersucht Björn Vedder die Kulturgeschichte der Farbe Rosa und versucht sich an einer Ehrenrettung dieses klischeebeladenen Farbtons: Denn rosa ist für Björn Vedder auch ein Ausdruck für einen optimistischen Blick auf die Welt.

Rosa Lack überdeckt den Dreck der Wegwerfgesellschaft

Wenig ist so hartnäckig wie ein Klischee – auch weil dadurch eine chaotische Welt strukturierbar wird. Ein ziemlich komfortables Klischee ist die Farbe Rosa. Auch der Autor Björn Vedder hatte lange Zeit keine hohe Meinung von dieser Farbe.

Dr. Björn Vedder - Publizist
Vedder ist bekennender Träger der Farbe Rosa: „Die beißt sich ein bisschen mit meiner rosa Haut und mit meinen blonden Haaren, das macht mir aber nichts.“

Rosa war für ihn nicht mehr als „der quietschende Lack einer Hauruck-und Wegwerfgesellschaft, die (…) alles rosa färbt, was heiter, oberflächlich schön und niedlich sein sollte. Wie die Top-Model-Bürsten meiner Töchter, die Sofakissen meiner Schwester oder das rosa Polo-Hemd meines Kollegen. Die immer gleiche Leier des Süßen, Unbedarft-Heiteren, Fröhlich-Mädchenhaften und Naiv-Glücklichen.“

Barbie Kinofilm Cover, Open-Air-Kinos Baden-Wuerttemberg mit Filmhighlights in Sommernächten, Barbie auf großer Leinwand
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Ist Rosa die Farbe des Optimismus?

Eine reaktionäre Farbe also. Aber – es geht hier immerhin um ein Buch mit dem Titel „Rosa. Vom Zauber einer Farbe“. Entsprechend beschreibt Vedder, das die Farbe Rosa dann doch vielschichtig für ihn geworden: „Es ist eine schöne, lebensfrohe und optimistische, heitere Farbe.“

Auf etwa 160 Seiten schildert Vedder die Facetten dieser oft verkannten Farbe, die auch als „pink oder Lachs, Fuchsia oder Magenta, Pfirsich oder Koralle“ bezeichnet wird.

Rosa war die Farbe von Marias Empfängnis

Rosa wird in mittelalterlicher Kunst als die Farbe von Marias Empfängnis verwendet, Monet malte Schneelandschaften mit rosa-Tönen, rosa – und nicht blau – war lange Zeit die standesgemäße Farbe für junge adelige Männer. Und für Madame Pompadour war sie das Symbol ihrer politischen Stellung am französischen Hof.

Björn Vedder: „Ich habe mir überlegt, welche Geschichte, spezifisch auf Mädchen oder Frauen bezogen, würde ich eigentlich gerne meinen Töchtern erzählen über die Farbe. Und in diesem Kontext schien mir Madame Pompadour eine interessante Figur zu sein, weil die als erste die rosa Farbe, die ja lange Zeit die Farbe der zweitmächtigsten Männer im Land sozusagen gewesen ist, für sich selber genutzt hat, um zu markieren, dass sie nicht nur die Mätresse ist, sondern dass sie eine ganz einflussreiche Politikerin ist.

Francois Boucher: Madame de Pompadour (1757)
Francois Boucher: Madame de Pompadour (1757)

Mamie Eisenhower machte das Weiße Haus zum „pink palace“

Am anderen Ende dieser emanzipatorischen Scala steht ebenfalls eine Frau: Mamie Eisenhower, die Frau des US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower, die 1953 das Weiße Haus zum „pink palace“ umdekorierte – und die Nachkriegsgesellschaft gleich mit.

Zusammen mit der Farbe Rosa propagierte Mamie Eisenhower die Rückkehr zur traditionellen Frauenrolle. Während des Kriegs hatten viele Frauen in den Rüstungsfabriken gearbeitet und dabei Blaumänner getragen.

Jetzt war der Krieg gewonnen, die Männer kehrten heim und die Uhren des gesellschaftlichen Fortschritts wurden zurückgedreht. Mamie Eisenhower schickte die Frauen heim an den Herd. Mit rosa Schürze.

Gemälde von Thomas Edgar Stephens: Mrs. Dwight D. Eisenhower. Öl auf Leinwand, 1959 (Ausschnitt)
Gemälde von Thomas Edgar Stephens: Mrs. Dwight D. Eisenhower. Öl auf Leinwand, 1959 (Ausschnitt)

Rosa als Farbe einer positive Lebenseinstellung

Was beim Lesen irritiert: Vedder geht es nicht nur um Kulturgeschichte, auch nicht ausschließlich darum, diese Farbe zu rehabilitieren. Rosa ist für ihn ein Lebensgefühl, eine Art, die Welt optimistisch zu sehen, eine „positive Lebenseinstellung, die sich gegen das Grau des Alltags stemmt, die nicht mit Angst und Sorgen in der Zukunft lebt, sondern ganz entspannt im Hier und Jetzt.“

Das rosa Gefühl ist für Vedder auch ein Gefühl für uns selbst. Es versichere uns, dass wir aus uns den Menschen machen können, der wir sein wollen.

Verklärt der Blick durch die rosarote Brille?

Aber verschwimmt mit dieser rosig-angeschickerten Weltumarmung nicht der klare Blick auf die Wirklichkeit? Vedder verneint:

„Ich glaube andersherum, dass sich uns die Welt eben zuallererst über die Stimmung öffnet, in der wir sind. Und dass uns, wenn wir rosa heitergestimmt sind, uns auch eine andere Welt begegnet und wieder einen anderen Zugang zur Realität finden, der vielleicht nicht das Grau ausblendet, sondern der uns Mut und Entschlossenheit geben kann.“

Ob man aber für Mut und Entschlossenheit, für gute Laune und Optimismus wirklich die Farbe Rosa braucht – daran kann man auch nach der Lektüre von Vedders Buch zweifeln.

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