Keine andere Farbe der Kunst- und Kulturgeschichte hat eine so facettenreiche Symbolik wie die Farbe Blau: Von der kostbaren Marienfarbe im Mittelalter über die blaue Blume der Romantik bis hin zu Geschlechterklischees der Gegenwart: Die Ausstellung in der Wessenberg-Galerie Konstanz erzählt lebendig und klug von der Faszination einer Farbe.
Früher trugen Jungs rot, nicht blau
Blau für Jungs. Rosa für Mädchen. Ein Geschlechterklischee, an dem auch das rosafarbene Auswärts-Trikot der deutschen Fußballnationalmannschaft nichts verändert hat. Doch diese Farbzuweisung war mal genau umgekehrt.
Das zeigen Kinderporträts aus dem 19. Jahrhundert – mit Jungs in roter Kleidung. Rot habe sich als männliche Farbe etabliert, „weil viele Soldaten mit rot beschmierter Kleidung vom Krieg nach Hause kamen, was natürlich Blut war“, sagt Franziska Deinhammer, Leiterin der Wessenberg Galerie.
Mädchen trugen blau – wie die Mutter Gottes
Erst der blaue Matrosenanzug drehte das Farbklischee allmählich um. Bis dahin trugen Mädchen zartes blau. Ein klarer Bezug zu Maria Mutter Gottes. Das Blau ihres Mantels ist ihre Erkennungsfarbe.
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Seit dem Mittelalter war Blau das teuerste Pigment, wertvoller als Gold, so Franziska Deinhammer: „Man hat das Pigment aus dem Edelstein Lapislazuli gewonnen, was im westlichen Hindukusch in Afghanistan abgebaut wurde.“
Die Marienfarbe Blau verspricht dann der weltlichen Frau Treue: blaue Blumen oder die kleine Brosche in blau sind das Versprechen dafür und stehen für die romantische Sehnsucht nach dem Wunder der Liebe.
Blau hat von allen Farben die größte Symbolik
Zehn Themenräume – von „Blaumann“ bis „Blues“ – zeigen, wie viele Geschichten die Farbe Blau in der Kunst erzählt. Blau hat von allen Farben die größte Symbolik. Und eine reiche Kunst- und Kulturgeschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht und bis in die heutige Zeit wirkt.
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Max Ackermann, einer der Begründer der Abstraktion in Deutschland, setzt etwa in seinen Kreis-Quadrat-Kompositionen auf die Energie eines satten Blaus.
Die „Blaue Stunde“ physikalisch erklärt
Zwischen den Mariendarstellungen und den abstrakten Arbeiten der Konstanzer Künstlerin Sabine Becker, die nur in blau malt, zeigt die Ausstellung natürlich viele Szenen mit blauem Himmel und blauem Wasser – mal mehr, mal weniger Psychogramme der menschlichen Seele.
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Dass die emotional aufgeladene „Blaue Stunde“ – die Phase der Abenddämmerung – hier physikalisch erklärt wird, steht für den Tiefgang, mit dem man sich hier der Farbe Blau widmet:
„Seit 1952 weiß man, dass die blaue Ozonschicht dafür verantwortlich ist, denn sie leuchtet, nachdem die Sonne untergegangen ist, noch eine Zeit lang blau“, erklärt Franziska Deinhammer. „Hinzu kommt, dass das menschliche Auge nur fünf Prozent des Sonnenlichts braucht, um blau zu erkennen. Wohingegen rot und alle anderen Töne mehr Licht erfordern.“
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Seit knapp einem Jahr leitet die junge Kunsthistorikerin die Wessenberg Galerie. „Blau – Faszination einer Farbe“, ihre zweite Ausstellung am Haus, ist ihr sehr gelungen, lebendig und klug kuratiert.
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