
Ausstellung „Staubfrei“ in Mannheim – Widerständige Fotokunst der analogen Art
Zeitgenössische Fotokunst auf analoger Basis zeigt der Mannheimer Ausstellungsraum „Port25“. Unter dem Titel „Staubfrei“ sind bis zum 20. Juli Werke von fünf Fotokünstlern versammelt, die sehr unterschiedliche Zugriffe auf analoge Fotografie haben.
Opas Knipse ist heute ein Lifestyle-Objekt
Analoge Fotografie ist seit einigen Jahren ziemlich angesagt, besonders unter jungen, kreativen Leuten. Die werden sicher auch die neue Ausstellung im Mannheimer Port 25 feiern, gerne mit einer alten Kleinbild-Kamera um den Hals, denn Opas Knipse ist heutzutage ein Lifestyle-Objekt.
Verstören könnte da allerdings einer der ausstellenden Künstler, der Fotograf Daniel Stier. Er steht im Port 25 vor einigen seiner knallbunten Bilder billiger Konsumartikel und sagt lächelnd: „Ich habe kein romantisches oder nostalgisches Verhältnis zur analogen Fotografie. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich es nicht mehr tun muss.“

Kaum jemand weiß mehr, was alles in einer Dunkelkammer passiert
Was der Fotograf da „nicht mehr tun muss“ erscheint aus heutiger, digital geprägter Sichtweise tatsächlich rätselhaft kompliziert: Man macht ein Foto, aber sehen kann man es erst sehr viel später, nach vielerlei handwerklich vertrackten Arbeitsschritten.
Ko-Kuratorin Yvonne Vogel sieht genau darin das positive Potential des Mediums. Kaum ein Mensch wisse mehr, was alles in einer Dunkelkammer passiere. „Die Fotografen damals waren kleine Alchimisten. Sie haben alles ausprobiert, getüftelt, Chemie, blah blah blubbs… und irgendetwas ist entstanden. Ich glaube, diese Faszination ist wieder zurückgekommen; und daher diese Ausstellung.“
Von Riesentapeten bis zu klitzekleinen Objekten
Im weiten Ausstellungsraum des Port 25 zeigt ein rascher Blick: Von Daniel Stiers wandfüllenden, bunten Riesentapeten bis zu klitzekleinen Objekten reicht das Spektrum der Präsentationsformen, die Sujets von abstrakt bis gegenständlich, meist in Schwarz-Weiß.
Es gibt fünf Positionen mit ganz unterschiedlichen Zugriffen auf analoge Fotografie: Inessa Siebert zeigt Still-Leben von Blumengestecken auf Fotopapier, das ein halbes Jahrhundert alt ist. Dazu braucht sie keine Kamera, denn Siebert macht Fotogramme – also Bilder der Schatten, die Gegenstände auf Fotopapier hinterlassen.
Die Chemie ist wie eine Diva
Markus Kaesler verwendet Blechbüchsen als Fotoapparate und befasst sich thematisch mit Staatsverbrechen der NS-Zeit und der DDR.
Was aber die Alchemie und das Blah-blah-Blubb angeht, das Kuratorin Yonne Vogel so begeistert, ist der radikalste Künstler hier sicherlich Steffen Diemer. Bei ihm ist das Medium wirklich die Message, denn Diemer arbeitet seit einigen Jahren ausschließlich mit Kollodium-Nassplatten.
„Ein sehr harter Weg, da überhaupt ein Bild rauszukriegen. Es hat fast zwei Jahre gebraucht“, erzählt er. „Die Chemie, die man dazu benutzt, die ist wie eine Diva.“
Zwischen Nostalgie und Alchemie Die Wiederentdeckung der Nassplatten-Kollodium-Fotografie
Silbrige Spuren, magische Momente und faszinierende Unikate: Die Nassplatten-Kollodium-Fotografie zieht Kunstschaffende und Betrachtende gleichermaßen in ihren Bann. Dieses historische Verfahren aus dem 19. Jahrhundert erlebt aktuell eine Renaissance, bei der alte Techniken auf neue kreative Impulse treffen – zu sehen auch in der Ausstellung „staubfrei – analoge Fotografie“ im PORT25 in Mannheim.
Steffen Diemer schafft Unikate auf Metallplatten
Exotische Substanzen müssen gefiltert, gemischt, temperiert und abgelagert werden, ihren Reifegrad beurteilt Steffen Diemer mit der Akkuratesse eines Sommeliers, anhand von Farbton und Geruch. Lohn der Mühe sind Unikate auf Metallplatten – aber allein ganz am Schluss die schützende Firniss aufzugießen, ein Gebräu aus marokkanischem Harz, Alkohol und Lavendelöl, ist ein heikles Unterfangen.
„Je wärmer die Platte ist, umso besser ist der Glanz“, so Diemer. „Das hat auch so ein bisschen was mit Sadomasochismus zu tun, dass ich das grad noch so halten kann, dann riecht man den Lavendel ganz arg raus und dann riecht das ganze Atelier nach Lavendel.“
Steffen Diemers Bilder sind Still-Leben einfacher Dinge: Kirschblütenzweige, Wassergläser, Glühbirnen, Totenschädel, ein Revolver. So taucht er auch ein in Erinnerungen an sein früheres Leben als Bildreporter in Krisengebieten; nach Schussverletzungen und Burnout hat der Fotograf seine Berufung darin gefunden, durch ein fragiles Verfahren schöne Bilder zu erschaffen, die extrem haltbar sind.

Die Welt lässt sich nicht so leicht auslöschen
Mit der Handfestigkeit von analogen Bildern spielt auch die Arbeit von Frank Göldner. Er hat ganz normale Ausdrucke auf Papier planmäßig mit Bürsten und Schleifpapier ausradiert, und dabei physisch erlebt, was sie vom flüchtigen Flackern der digitalen Screens unterscheidet: „Die Bilder sind sehr widerständig, es ist richtig physische, körperliche Arbeit, Bilder haben doch ein sehr großes Beharrungsvermögen. Also, die Welt lässt sich nicht so leicht auslöschen.“
Zwischen Nostalgie und Alchemie Die Wiederentdeckung der Nassplatten-Kollodium-Fotografie
Silbrige Spuren, magische Momente und faszinierende Unikate: Die Nassplatten-Kollodium-Fotografie zieht Kunstschaffende und Betrachtende gleichermaßen in ihren Bann. Dieses historische Verfahren aus dem 19. Jahrhundert erlebt aktuell eine Renaissance, bei der alte Techniken auf neue kreative Impulse treffen – zu sehen auch in der Ausstellung „staubfrei – analoge Fotografie“ im PORT25 in Mannheim.
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Über 25 Jahre war Gustavo Alàbiso als Pressefotograf für Zeitungen, Magazine und Agenturen tätig, doch inzwischen hat er sich auf Foto-Dokumentationen spezialisiert, die er in Ausstellungen und Büchern zeigt. Ihn interessiert nicht nur das einzelne Foto, sondern vor allem ihre Zusammenstellung zu einer Geschichte. Seine Themen sind vielfältig: streikende Gewerkschafter, das geteilte Zypern oder seine früheren Klassenkameraden in Sizilien. Schon als Jugendlicher kam er über einen Freund zufällig zum Fotografieren, es folgten eine Ausbildung in Rom, viele Reisen und dann – der Liebe wegen – der Umzug nach Karlsruhe.