Erste Carpaccio-Ausstellung in Stuttgart

Detailverliebtheit in Fleischrot: Vittore Carpaccio ist der Chronist venezianischen Lebens

Stand
Autor/in
Sina Weinhold

Das kräftige Fleischrot und die Liebe zum Detail waren seine Markenzeichen: Um 1500 zählt Vittore Carpaccio zu den meistbeschäftigten Malern in Venedig. Jetzt steht der venezianische Renaissancekünstler im Mittelpunkt einer Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart – die erste in Deutschland überhaupt.

Carpaccio beobachtet das Treiben in Venedig

Vittore Carpaccio war ein genauer Beobachter. Die Fachliteratur spricht bei seinen Bildern gar gerne vom „Augenzeugenstil“. Der Künstler scheint oft in den Straßen Venedigs unterwegs gewesen zu sein, wo er die Menschen in ihrem Alltag zeichnete.

„Carpaccio war bestrebt, etablierte Motive immer weiterzuentwickeln und sie in der damaligen Lebenswelt zu verorten“, beschreibt eine der beiden Stuttgarter Ausstellungskuratorinnen, Dr. Christine Follmann, die künstlerische Handschrift des venezianischen Malers. Bei ihm sind auch Figuren aus der Bibel nach der neuesten venezianischen Mode gekleidet und frisiert.

Vittore Carpaccio, Madonna mit Kind und Johannesknaben, ca. 1500
Keine historischen Kostüme: In Carpaccios Bildern tragen auch biblische Figuren die aktuelle Mode um 1500 – Vittore Carpaccio, Madonna mit Kind und Johannesknaben, ca. 1500.

Auftragsarbeiten für Venedigs Scuole

Über Vittore Carpaccios Ausbildung ist wenig bekannt. Kunsthistoriker nehmen an, dass sein Stil im Umfeld des Malers Giovanni Bellini geprägt wurde, einem der Begründer der venezianischen Malerschule der Frührenaissance.

Carpaccio wird einer der meistbeschäftigten Maler seiner Zeit. Sein ganzes Leben lang steht er im Dienst der sogenannten „Scuole“ – geistliche und karitative Bruderschaften, die im gesellschaftlichen Leben Venedigs eine bedeutende Rolle spielen. Vor allem die acht „großen Schulen“ (scuole grandi) wetteifern dabei für ihre Versammlungshäuser um die prunkvollste Ausstattung.

Vittore Carpaccio, Begegnung der Heiligen Ursula mit ihrem Verlobten und Einschiffung der Pilger, um 145565 - 1526
Satte Farben, detaillierte Landschaften und Figuren lassen Carpaccios Bilder besonders lebendig wirken. – V. Carpaccio, Begegnung der Heiligen Ursula mit ihrem Verlobten und Einschiffung der Pilger, um 1455/65 - 1526.

Sein bedeutendster Bildzyklus erzählt von der heiligen Ursula

Zwischen 1490 und 1500 malt Carpaccio für die heute nicht mehr existierende Scuola di Sant’Orsola seinen ersten und zugleich bedeutendsten Gemäldezyklus: Die Gemälde erzählen die Vita der heiligen Ursula, die sich mit 11.000 Jungfrauen auf eine Pilgerreise nach Rom begibt und auf dem Rückweg mit ihnen in Köln durch die Hand der Hunnen den Märtyrertod stirbt.

In dieser neunteiligen Bilderfolge bezieht sich Carpaccio auf die Stationen der Heiligengeschichte, die den Betrachtern vertraut war. Darunter befindet sich auch ein Bild mit der Seefahrt in der Lagunenstadt.

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Alte Musik Carpaccios Soundtrack. Musik im Venedig der Renaissance

Mit dem Sound der Renaissance durch eine Ausstellung flanieren und das Zusammenspiel der Künste erleben - diese Idee hat SWR Kultur mit der Staatsgalerie Stuttgart verwirklicht.

Alte Musik SWR Kultur

Fleischrot als Markenzeichen

Ein weiteres Schlüsselwerk ist das „Martyrium des heiligen Stephanus“. Carpaccio malt es als Teil eines Stephanus-Zyklus für die Stephanus-Bruderschaft in Venedig. Deutlich zu sehen ist, welche Faszination die Kulturen des östlichen Mittelmeerraums auf den Renaissance-Künstler und seine Zeitgenossen ausübten.

Vittore Carpaccio, Martyrium des heiligen Stephanus, 1520
Carpaccios Motive sind reich an Details, von den Texturen der Stoffe bis hin zu den Architekturelementen, was seinen Werken eine fast dreidimensionale Qualität verleiht.– V. Carpaccio, Martyrium des heiligen Stephanus, 1520.

Großzügig verwendet Carpaccio in diesem Bild sein kräftiges Rot, gerne als Fleischrot beschrieben, das er aus getrockneten Schildläusen gewinnt. Für Carpaccio wird diese Farbe zum Markenzeichen: Solche beeindruckend kräftigen Farben herzustellen, galt im 15. Jahrhundert als eigene Kunst, die nur große Maler beherrschten. Ihre Rezepturen hielten die Künstler geheim.

Carpaccio zeigt belesene Frauen

In Carpaccios Werken ist der Geist der noch jungen Renaissance an vielen Stellen spür- und sichtbar. Ganz eindeutig spricht er auch aus den Frauenporträts, die in der Stuttgarter Ausstellung zu sehen sind. „Sie waren zum Teil als Identifikationsfiguren für weibliche Betrachterinnen gedacht“, weiß die Stuttgarter Kuratorin Christine Follmann.

Bildung wird in den Stadtstaaten der Renaissance auch für Frauen von Stand als wichtig erachtet. Vittore Carpaccio setzt die Frauen in seinen Porträts und Marienbildern mit Büchern als Teil der wissensdurstigen venezianischen Gesellschaft in Szene.

In die Szene eintauchen

Ein bisschen ist es wie mit den Wimmelbildern: Carpaccio hatte die Fähigkeit, biblische und historische Themen so lebendig und detailreich zu gestalten, dass man als Betrachter auch heute noch direkt in die Szene eintauchen und sich mit dem Geschehen identifizieren kann.

Sein Sinn für Farbe und Bildkomposition hat die venezianische Malerei maßgeblich beeinflusst. Carpaccios Werke werden in wichtigen Museen und Sammlungen auf der ganzen Welt ausgestellt. Bis heute werden sie für ihre Schönheit und ihre erzählerische Ausdruckskraft geschätzt.

Die Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart

Stuttgart

Ausstellung Farbenfroh und detailreich: Der Renaissance-Maler Carpaccio in der Stuttgarter Staatsgalerie

Seine Venedig-Ansichten gleichen modernen Wimmelbildern: Maler Vittore Carpaccio steht im Mittelpunkt der Stuttgarter Ausstellung, die auch Werke von Giovanni Bellini zeigt.

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Treffpunkt Musik Zu Gast im Studio: Die Kuratorin Annette Hojer

Annette Hojer kuratiert ganz aktuell eine Ausstellung über Vittore Carpaccio und Giovanni Bellini, zwei Künstler der frühen Renaissance.

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Forum Das Sakrale und das Profane – Was erzählen uns Carpaccios Venedigbilder heute?

Silke Arning diskutiert mit
Prof. David Fallows, Musikwissenschaftler, Basel
Dr. Annette Hojer, Kuratorin Staatsgalerie Stuttgart
Dirk Schümer, Autor, Publizist und ehemaliger Venedig-Korrespondent

Forum SWR Kultur

Venezianische Musik der Frührenaissance als Soundtrack zur Ausstellung

Kunst und Musik der venezianischen Frührenaissance Doris Blaich über den „Soundtrack“ zur Stuttgarter Carpaccio-Ausstellung

Ab dem 15.11. zeigt die Staatsgalerie Stuttgart die Ausstellung: „Carpaccio, Bellini und die Venezianische Frührenaissance“. Der SWR hat aus diesem Anlass extra Musik aufgenommen.

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Sina Weinhold