Serie in der ARD Mediathek

Smart und skrupellos: „Wo wir sind, ist oben“ über Lobbyisten in Berlin

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Karsten Umlauf

Rund 29.000 Lobbyisten treiben sich allein in Brüssel herum, in Berlin kommen auf jede Abgeordnete über 40 Lobbyvertreter*innen. Die ARD Mediathek greift das Thema im modernen Unterhaltungsfernsehen auf und arbeitet sich divers und quer durch das politische Meinungsspektrum. Gegen Ende der Serie entsteht sogar dramatische Tiefe.

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Das beste Pferd im Stall der Berater-Agentur

Hellblauer Anzug, Sonnenbrille und auf dem E-Scooter gerade so schnell unterwegs, dass die dynamisch gescheitelten blonden Haare nicht durcheinander geraten: Max Lentor verkörpert den Erfolg und ist das beste, weil skrupelloseste und schnellste Pferd im Stall der Berater-Agentur ABC und Partner. Weil er die Interessen vertritt, für die er bezahlt wird, kämpft er am Vormittag für Hormongrenzwerte in Flüssen und befördert am Nachmittag den Braunkohleabbau in der Lausitz.

Filmstill
Der Berliner Lobbyist Max Lentor (Helgi Schmid, li) geht unaufhaltsam seinen Weg nach oben. Er zieht Strippen in der Politik und spielt Doppelpass mit den Hauptstadtmedien. Sein Agenturchef Dr. Janussen (Jan-Gregor Kremp, re) hält große Stücke auf den jungen Karrieristen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Herta „Z“ Zickler (Ulrike Kriener), die Grand Dame der Strippenzieherei im politischen Berlin, ist die Mentorin von Max Lentor und pusht ihren Zögling ans Limit. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Lobbyistin Valerie Hazard (Nilam Farooq) zieht aus Brüssel nach Berlin um sich neu zu beweisen. Ihr Vater sitzt wegen dubioser Waffengeschäfte im Gefängnis. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Valerie möchte als taffes „New Kid in Town" Max als Nummer eins ablösen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Im Kampf einer Öko-Organisation gegen die Pharmaindustrie und beim Streit zwischen einem Robotik-Start-up und Pflegekräften stehen sich die Rivalen gegenüber. Die einzige Regel ist: Der oder die Bessere möge gewinnen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Zwischen die Fronten gerät Max‘ schwangere Schwester CeeCee (Valerie Stoll) beim Konflikt um den Braunkohleabbau in der Lausitz. Für Max, der seinen verhassten Heimatort durch den Tagebau plattmachen möchte, beginnt eine schmerzhafte Auseinandersetzung mit seiner Vergangenheit. Bild in Detailansicht öffnen

Sunnyboy mit einem Rest von Gewissen

Ein Sunnyboy, der nicht ganz so gewissenlos ist wie er gerne rüberkäme. Dennoch leiten ihn statt Moral oder Überzeugungen eher Fragen, welche Schwächen oder Vorlieben von Politikerinnen und Politikern er ausnutzen kann, wie er auf der medialen Klaviatur spielt und welche möglichen nächsten Schritten die Gegenseite plant.

Die wird in der Serie verkörpert von Lobbyistin Valerie Hazard, die von Brüssel nach Berlin wechselt, um die Konkurrenz-Agentur Pegasus stark zu machen. Schnell und schmerzfrei denken kann sie auch und Umweltaktivistinnen oder Unternehmenssprecher mit den geeigneten Strategien versorgen. Und sei es nur, um den Wettbewerb mit Max Lentor anzuheizen, dem sie sich dann doch auch irgendwie seelenverwandt fühlt.

Filmstill
Lobbyistin Valerie Hazard (Nilam Farooq) kann ebenso schnell und schmerzfrei denken wie Max Lentor.

Weniger Soap und mehr bissige Satire hätten der Serie gut getan

Im Spiegel dieser Strippenzieher erscheinen Politikerinnen, Richter und Unternehmer mit ihren Karrierebiografien als leichte Beute. Und man kann sich fragen, ob das überspitzte und simplifizierte Bild vom Berliner Politbetrieb nicht dazu geeignet ist, Herausforderungen wie Klimapolitik, Pflegenotstand oder auch die Macht von Lobbyistinnen auf die allzu unterhaltsam leichte Schulter zu nehmen.

Zumal die Serie machmal schon sehr soapig daherkommt und von einer bissigen Satire à la „Kir Royal“oder auch „King of Stonks“ lange Zeit weit entfernt ist.

Darsteller-Ensemble tröstet über dramturgische Schwächen

Andererseits ist „Wo wir sind, ist oben“ temporeich erzählt, mit einer beeindruckenden Bildsprache, in manchmal banalen, oft lustigen bis hin zu bitter sarkastischen Dialogen.

Helgi Schmid und Nilam Farooq als Max und Valerie bekommen eine charmante Mischung hin aus Frechheit und Restempathie und auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt, mit Valerie Stoll, Sebastian Rudolph oder Ulrike Kriener als Grand Dame der Strippenzieherei.

Filmstill
Herta „Z“ Zickler (Ulrike Kriener), die Grand Dame der Strippenzieherei im politischen Berlin, ist die Mentorin von Max Lentorund pusht ihren Zögling ans Limit.

Divers und quer: so geht modernes Unterhaltungsfernsehen

Die Serie ist modernes Unterhaltungsfernsehen, das divers und quer durch das politische Meinungsspektrum erzählt. Hinten raus gönnt sie sich sogar dramatische Tiefe. Fragt nach den Erzählungen des Lebens, den alternativen Fakten aka Lebenslügen, denen wir mindestens so gerne glauben wie der Beraterindustrie mit ihren passgenauen Narrativen für jede Zeit und Politik. Hauptsache: Wo wir sind, ist oben!

„Wo wir sind, ist oben“, ARD Mediathek

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