Rund 29.000 Lobbyisten treiben sich allein in Brüssel herum, in Berlin kommen auf jede Abgeordnete über 40 Lobbyvertreter*innen. Die ARD Mediathek greift das Thema im modernen Unterhaltungsfernsehen auf und arbeitet sich divers und quer durch das politische Meinungsspektrum. Gegen Ende der Serie entsteht sogar dramatische Tiefe.
Das beste Pferd im Stall der Berater-Agentur
Hellblauer Anzug, Sonnenbrille und auf dem E-Scooter gerade so schnell unterwegs, dass die dynamisch gescheitelten blonden Haare nicht durcheinander geraten: Max Lentor verkörpert den Erfolg und ist das beste, weil skrupelloseste und schnellste Pferd im Stall der Berater-Agentur ABC und Partner. Weil er die Interessen vertritt, für die er bezahlt wird, kämpft er am Vormittag für Hormongrenzwerte in Flüssen und befördert am Nachmittag den Braunkohleabbau in der Lausitz.
Sunnyboy mit einem Rest von Gewissen
Ein Sunnyboy, der nicht ganz so gewissenlos ist wie er gerne rüberkäme. Dennoch leiten ihn statt Moral oder Überzeugungen eher Fragen, welche Schwächen oder Vorlieben von Politikerinnen und Politikern er ausnutzen kann, wie er auf der medialen Klaviatur spielt und welche möglichen nächsten Schritten die Gegenseite plant.
Die wird in der Serie verkörpert von Lobbyistin Valerie Hazard, die von Brüssel nach Berlin wechselt, um die Konkurrenz-Agentur Pegasus stark zu machen. Schnell und schmerzfrei denken kann sie auch und Umweltaktivistinnen oder Unternehmenssprecher mit den geeigneten Strategien versorgen. Und sei es nur, um den Wettbewerb mit Max Lentor anzuheizen, dem sie sich dann doch auch irgendwie seelenverwandt fühlt.
Weniger Soap und mehr bissige Satire hätten der Serie gut getan
Im Spiegel dieser Strippenzieher erscheinen Politikerinnen, Richter und Unternehmer mit ihren Karrierebiografien als leichte Beute. Und man kann sich fragen, ob das überspitzte und simplifizierte Bild vom Berliner Politbetrieb nicht dazu geeignet ist, Herausforderungen wie Klimapolitik, Pflegenotstand oder auch die Macht von Lobbyistinnen auf die allzu unterhaltsam leichte Schulter zu nehmen.
Zumal die Serie machmal schon sehr soapig daherkommt und von einer bissigen Satire à la „Kir Royal“oder auch „King of Stonks“ lange Zeit weit entfernt ist.
Darsteller-Ensemble tröstet über dramturgische Schwächen
Andererseits ist „Wo wir sind, ist oben“ temporeich erzählt, mit einer beeindruckenden Bildsprache, in manchmal banalen, oft lustigen bis hin zu bitter sarkastischen Dialogen.
Helgi Schmid und Nilam Farooq als Max und Valerie bekommen eine charmante Mischung hin aus Frechheit und Restempathie und auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt, mit Valerie Stoll, Sebastian Rudolph oder Ulrike Kriener als Grand Dame der Strippenzieherei.
Divers und quer: so geht modernes Unterhaltungsfernsehen
Die Serie ist modernes Unterhaltungsfernsehen, das divers und quer durch das politische Meinungsspektrum erzählt. Hinten raus gönnt sie sich sogar dramatische Tiefe. Fragt nach den Erzählungen des Lebens, den alternativen Fakten aka Lebenslügen, denen wir mindestens so gerne glauben wie der Beraterindustrie mit ihren passgenauen Narrativen für jede Zeit und Politik. Hauptsache: Wo wir sind, ist oben!
Serien zum streamen
Remake des bekannten Gerichtsthrillers Jake Gyllenhall glänzt in der Apple-TV-Serie „Aus Mangel an Beweisen“
1990 ist Harrison Ford „aus Mangel an Beweisen“ frei gesprochen worden – einer der bekanntesten Gerichtsfilme aller Zeiten. Die Romanvorlage kommt jetzt als Miniserie neu heraus. Eine gelungene Modernisierung, die über das bekannte Gerichtsdrama weit hinausgeht.
Serie Überraschende Seiten einer Literatur-Ikone: ARD-Serie „Kafka“ von Daniel Kehlmann
Die ARD widmet Franz Kafka eine sechsteilige Serie, geschrieben von Besteller-Autor Daniel Kehlmann und inszeniert von David Schalko.
Achtteilige Serie aus dem Iran Krimi mit absurder Komik: „The Actor“ von Nima Javidi in der Arte Mediathek
Im Seriendebüt von Nima Javidi machen die beiden Schauspieler Ali und Morteza Teheran zu ihrer Bühne. Um finanziell über die Runden zu kommen, nehmen sie die ungewöhnlichsten Aufträge an, von Unterhaltung bis Spionage.