Mit 50 zu alt für den Job

„The Substance“ mit Demi Moore: Wenn der Körperkult zum Horror wird

Stand
Autor/in
Rüdiger Suchsland

Demi Moore spielt die Schauspielerin Elisabeth, die nach einer Hollywood-Karriere eine Fitness-Show im Fernsehen moderiert und mit 50 durch eine Jüngere ersetzt werden soll. Rettung naht durch eine innovative Verjüngungsmethode, die titelgebende „The Substance“. Mit dieser Prämisse beginnt Coralie Fargeats Film, der nicht für schwache Nerven ist.

Mit 50 zu alt für den Job

Es ist der schlimmste Tag im Berufsleben von Elizabeth. Eigentlich könnte sie feiern, denn es ist ihr runder Geburtstag, ihr Fünfzigster. Doch die von Demi Moore gespielte ehemalige Hollywood-Schauspielerin mit einem Stern auf dem Walk of Fame, die jetzt immerhin noch der erfolgreiche Star einer Aerobic- und Körper-Ertüchtigungssendung im Fernsehen ist, wird von einem Tag auf den anderen gefeuert. Sie soll durch eine Jüngere ersetzt werden.

Filmstill
Elisabeth Sparkle (Demi Moore), eine ehemalige A-Prominente hat ihre Blütezeit hinter sich. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Plötzlich wird sie von Fernsehchef Harvey (Dennis Quaid) aus der eigenen Fitness-Fernsehsendung gefeuert. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Da ergreift sie die Chance, die ihr eine mysteriöse neue Droge bietet: The Substance. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Eine einzige Injektion genügt. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Die 50-jährige Elisabeth wird vorübergehend als wunderschöne Mittzwanzigerin namens Sue (Margaret Qualley) wiedergeboren. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Die einzige Regel? Sie müssen sich die Zeit teilen: genau eine Woche im einen Körper, dann eine Woche im anderen. Ohne Ausnahme. Die perfekte Balance. Was kann schon schiefgehen? Bild in Detailansicht öffnen

Die 30 Jahre jüngere Kopie übernimmt

Ganz am Anfang sieht man im allerersten Bild ein rohes Ei. Eine gummibehandschuhte Hand setzt eine Spritze an und spritzt eine undefinierte Substanz in das Eigelb. Es dauert ein paar Sekunden, dann kommt es zu einer rapiden Zellteilung und ein zweites perfektes Eigelb ploppt aus dem ersten heraus.

Genauso ist das Ergebnis, als Elizabeth in Versuchung gerät, sich die titelgebende Substanz einzuverleiben – aus ihr schält sich eine 30 Jahre jüngere Frau von großer erotischer Verführungskraft heraus, wie zu Beginn das zweite Eigelb aus dem ersten: Sue, gespielt von Margaret Qualley.

Der Horror um den Body

Und damit geht der Horror um den Body erst richtig los. Mit dieser Substanz hat es nämlich eine gewisse Bewandnis: Beide, nun parallel in abwechselndem „Wach“-„Schlaf“-Rhythmus anwesende Körper müssen sich gegenseitig ernähren, um im Gleichgewicht gehalten zu werden.

Wenn das nicht passiert, verfällt der jeweils inaktive unnatürlich schnell und unrevidierbar. Dieser körperliche Zerfall betrifft aber nur den „eigentlichen“ Körper, den „Wirtskörper".

„The Substance“ verfällt selbst dem Schönheits- und Jugendwahn

Das Ganze hat im Kino nicht zuletzt deswegen seinen Charme, weil Demi Moore die Hauptrolle spielt. Demi Moore, die tatsächlich 61 Jahre alt ist, spielt hier aber eine gerade 50-Jährige. Der Film verfällt damit selbst dem Schönheits- und Jugendwahn, den er vermeintlich moralisierend beklagt.

Denn „The Substance“ ist nicht nur ein Thesenfilm über Schönheitswahn. Er ist selbst Teils des Wahns.

Filmstill
Die 50-jährige Elisabeth Sparkle (Demi Moore) wird vorübergehend als wunderschöne Mittzwanzigerin namens Sue (Margaret Qualley) wiedergeboren.

„Bodyhorror" mit den Mitteln des Werbefilms in Szene gesetzt

Regisseurin Coralie Fargeat wählt ausdrücklich das Genre des „Bodyhorror“. Sie zeigt Nadeln, die Adern durchstechen, Augen mit mehreren Iris'en, Leiber, die sich in zwei Hälften teilen, Eingeweide, die sich auf den Boden ergießen, Gliedmaßen, die sich monströs verdrehen oder monströs altern, deformierte und kaputte Leiber.

Das Ganze ist aber fotografiert wie ein Werbefilm. Alles ist zu schön, zu ausgeleuchtet, zu glatt.

Von der glatten Fabel zum filmischen Alptraum

Nach etwa zwei Stunden verwandelt sich dann die glatte Fabel in einen makabren Albtraum, in dem die schlanken Frauenkörper zu Monstern eines Francis Bacon-Gemäldes mutieren. Die Frauen werden in so viel Blut gebadet, das man Gedanken an das Ende von Brian De Palmas „Carrie“ nicht vermeiden kann.

Die wahren Lebenslügen der Menschen liegen nicht im Schönheitskult, sondern im schönen Reden. Nicht in der Verehrung der Oberflächen, sondern in der Verwechslung von Oberfläche und Substanz. Dieser Verwechslung macht sich auch der Film selbst schuldig.

Trailer „The Substance“, ab 19.9. im Kino

THE SUBSTANCE | Offizieller Trailer DEUTSCH | Ab 19. September im Kino

Aktuell im Kino

Gelungenes Comeback nach 36 Jahren „Beetlejuice Beetlejuice“: Tim Burton ist in Hochform zurück

Mit „Beetlejuice Beetlejuice“ gelingt Tim Burton die Fortsetzung seines filmischen Erfolgs von 1988. Starke visuelle Gags, großartige Darsteller und systemkritische Bezüge machen den Film zur unterhaltsamen Gruselkomödie.

SWR Kultur am Morgen SWR Kultur

Bestseller-Verfilmung „Treasure – Familie ist ein fremdes Land“: der Holocaust als transgenerationales Trauma

Bestseller-Autorin Lily Brett erzählt in „Zu viele Männer“, wie sich eine Mittdreißigerin mit ihrem Vater, einem Holocaust-Überlebenden, in Polen auf die Suche nach ihren jüdischen Wurzeln macht. Julia von Heinz hat das Buch unter dem Titel „Treasure – Familie ist ein fremdes Land“ verfilmt.

SWR Kultur am Morgen SWR Kultur

Das fieseste Monster der Kinogeschichte kehrt zurück „Alien: Romulus“ mit Cailee Spaeny als Monsterjägerin

Seit 1979 versetzt „Alien“ eine ganze Generation von Science-Fiction-Horrorfans in Angst und Schrecken. Jetzt spielt in Teil 7 Cailee Spaeny die mutige Monsterjägerin Rain. Allein schon ihr starker Auftritt lohnt den Besuch des Films.

SWR Kultur am Morgen SWR Kultur

Stand
Autor/in
Rüdiger Suchsland