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Dramedy-Serie „Tod den Lebenden“: Alle haben Klimawandel

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AUTOR/IN
Karsten Umlauf

Wie wird aus einer polyamourösen WG eine aktivistische Terrorzelle? Wer würde sich für den Klimaprotest selbst anzünden und hängt das Überleben möglicherweise an einem Babyhund? Die neue Serie von Regisseur Tom Lass wirft Fragen auf, die sie nicht direkt beantworten kann. Aber sie sucht nach kreativen Lösungen zwischen absurdem Witz und Lebensphilosophie.

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WG-Liebesnest mit festen Regeln

Heidi, Juklas und Becky lieben sich - wenn jemand noch einen weiteren Partner in das WG-Liebesnest mitbringen will, ist das ok, er oder sie muss nur geteilt werden. Das mag zügellos und befremdlich wirken, aber die Gemeinschaft der End-Zwanziger hat Regeln, die allerdings Heidi gemacht hat. Es wirkt wie eine Mischung aus Hippie-Kommune, Dada-Manifest und Diktatur. Eine Gemeinschaft, die von einer Erbschaft lebt und die sich selbst genug ist in rücksichtslosem Hedonismus.

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Alle lieben alle, keiner trennt sich! Heidi (Odine Johne) und Juklas (Julius Feldmeier). Bild in Detailansicht öffnen
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Die selbstbewusste Endzwanzigerin lebt mit ihrem konfliktscheuen Partner Juklas (Julius Feldmeier) und der gemeinsamen Freundin Becky (Kristin Suckow) in einer offenen Beziehung. Zu dritt beschließen sie ein Kind zu bekommen. Bild in Detailansicht öffnen
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Juklas, Heidi und Becky stehen wie ein „Trio Infernal“ im Zentrum der sechsteiligen Miniserie. Ihr offenes, aber regelbasiertes Beziehungskonzept wird von Lea van Acken als gemeinsamer Geliebten infrage gestellt.V. li. n. re.: Juklas (Julius Feldmeier), Heidi (Odine Johne), Akki (Lea van Acken) und Becky (Kristin Suckow) Bild in Detailansicht öffnen
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Ausgerechnet während Becky das gemeinsame Baby austrägt, bekommt Heidi eine schreckliche Diagnose. Die Anführerin leidet an einer tödlichen Lungenkrankheit, die vermutlich durch den Klimawandel beschleunigt wird. Bild in Detailansicht öffnen
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Dr. Möbel (Moritz Grove, li) klärt Heidi (Odine Johne, Mitte) über ihre Erkrankung auf. Um sie zu retten, beschließen die Liebenden, sofort etwas zu unternehmen! Aber was? Bild in Detailansicht öffnen
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Zwar gelingt es, Aktivist:innen für eine Untergrund-Guerilla zu rekrutieren. Als die Neuen ins Radikale abdriften, eskaliert der Konflikt. Harper (Hannah Schiller), Stefan (Mo Issa), Cassandra (Céline Yildirim), Akki (Lea van Acken) und Juklas (Julius Feldmeier) Bild in Detailansicht öffnen

Widerstand auf Instagram-Niveau

In jeder Folge greift die Serie vor auf ihr Ende, das in einer tarantinomäßigen Ballerei kulminiert. Was ist passiert? Irgendwann sollen die drei aus ihrer Wohnung fliegen und bei Heidi wird eine tödliche Krankheit festgestellt, die durch Feinstaub beschleunigt wird. Sofort regt sich empörter Widerstand, gegen Gentrifizierung und vor allem gegen den Klimawandel. Und bald erweitert sich die kleine Liebeszelle zu einer RAF-mäßigen Truppe, in der jüngere radikalere Stimmen laut werden. Die allerdings Widerstand auch auf Insta-Niveau diskutieren: sendebewusst, aber ohne Botschaft.

Beißende Kritik an der Generation der Millennials

Das ist natürlich alles absurd auf die Spitze getrieben, oft sehr komisch und wenn man will, kann man „Tod den Lebenden“ als beißende Kritik an der Generation der Milennials verstehen. Für die Liebe und Gemeinschaft Sehnsuchtsziele sind, aber die Selbstverwirklichung auch in der Revolte nicht zu kurz kommen darf. Das Ensemble um Odine John, Julius Feldmeier, Kristin Suckow oder auch Lea van Acken hat passend dazu in der Improvisation eine Art von Sprachtypologie entwickelt: Dialoge, die wahnsinnig achtsam um sich selbst und manchmal auch nur um die eigene Sprache kreisen.

Hochkreative Serie von Tom Lass

Bei der beeindruckend gespielten, insgesamt hochkreativen Serie von Tom Lass vermisst man zwischen dem absurden Witz und der Lust am Spiel mit Sprache und Bildern allenfalls etwas Tiefe und Emotionalität. Andererseits ist es vielleicht gerade ihre Rätselhaftigkeit und die fast kindliche Hilflosigkeit, die den Reiz dieser Figuren und damit die Dimension ihres Menschseins ausmachen.

„Tod den Lebenden“ von Tom Lass in der ARD Mediathek

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