Man nannte sie die „Löwin“ und Jahre vor Margaret Thatcher eine „Eiserne Lady“: Golda Meir, die erste israelische Ministerpräsidentin. Regisseur Guy Nattiv hat jetzt die wichtigste Episode im politischen Leben dieser Frau verfilmt: den „Jom-Kippur-Krieg“. Helen Mirren brilliert in der Titelrolle.
Ruhiger, nachdenklicher und oft düsterer Film
Die ständige Zigarette in der Hand war eines der Markenzeichen der israelischen Ministerpräsidentin, die von 1969 bis 1974 regierte und aus einer Zeit stammte, als den Menschen noch andere Dinge wichtiger waren als die Gesundheit. In Israel sowieso, wo man seit Jahrzehnten täglich mit arabischem Terror und Angriffen der Nachbarländer rechnen muss. Dies ist ein ruhiger, nachdenklicher und oft düsterer Film.
Im Oktober vor 50 Jahren
Regisseur Guy Nattiv erzählt von jenem Krieg im Nahen Osten, der vor den Angriffen des 7. Oktober vergangenen Jahres der für Israel am unerwartetsten und gefährlichsten war.
Ebenfalls ein Angriff aus heiterem Himmel, ebenfalls im Herbst eines Jahres, genau vor 50 Jahren: Im Oktober 1973 begann der „Jom-Kippur-Krieg“, ein massiver arabischer Angriffskrieg, als Ägypten und Syrien koordiniert in Israels Süden wie Norden gleichzeitig einmarschierten.
Der „Yom-Kippur-Krieg“ aus Sicht der israelischen Ministerpräsidentin
Der Film von Guy Nattiv schildert die nun folgenden Tage aus Sicht von Golda Meir, die sich hinter verschlossenen Türen mit den Chefs von Militär und Geheimdienst bespricht, um diesen Überraschungsangriff zu stoppen.
Der Regisseur verweigert sich möglichen psychologischen Komponenten und beschränkt sich auf den Horizont der Handlungen: militärstrategische Dialoge, diplomatische Gespräche mit US-Außenminister Henry Kissinger, abgehörtem Funkverkehr, Telefonate zur Unterdrückung steigender Spannungen und Friedensverhandlungen als Konfliktlösung.
Regisseur Guy Nattiv zeigt Golda Meir als Frau mit natürlicher Autorität
Die Charaktere entwickeln sich kaum. Beides ist kein Wunder, weil es um eine Handlung geht, die kaum drei Wochen umfasst.
Helen Mirren erreicht es, Meirs schillernde Persönlichkeit mit einer gewissen Glaubwürdigkeit zu versehen, indem sie sie als charaktervolle, immerfort Zigaretten durch die Luft schwingende Frau spielt, die ohne im klassischen Sinn emanzipiert zu sein, nie ernsthafte Probleme damit hat, in einem von Männern dominierten Raum ihre Autorität deutlich zu machen.
Helen Mirren sieht der echten Golda Meir zum Verwechseln ähnlich
Mirren ist mit Hilfe der im Frühjahr oscarnominierten Maske der echten Golda Meir tatsächlich aus dem Gesicht geschnitten. Ihre Schauspielkunst liegt in Gang und Gesten und Bewegungen und damit darin, unter der zentimeterdicken Maske doch noch Nuancen erkennbar zu machen.
Zu den besten Momenten gehören die Gespräche mit US-Außenminister Kissinger, der von Liev Schreiber gespielt wird. Dessen kühl-realistische Pendeldiplomatie beendete nicht nur den Krieg, sondern führte auch zu den hoffnungsvollsten Epochen im Nahen Osten, als nämlich der Friedensschluss zwischen Israel und Ägypten einige Zeit lang eine grundsätzliche Befriedung der Situation möglich erscheinen ließ.
Trailer „Gold“, seit 30.5. im Kino
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