Bewegender Film über eine starke Frau

„Golda – Israels eiserne Lady“ mit einer beeindruckenden Helen Mirren

Stand
AUTOR/IN
Rüdiger Suchsland

Man nannte sie die „Löwin“ und Jahre vor Margaret Thatcher eine „Eiserne Lady“: Golda Meir, die erste israelische Ministerpräsidentin. Regisseur Guy Nattiv hat jetzt die wichtigste Episode im politischen Leben dieser Frau verfilmt: den „Jom-Kippur-Krieg“. Helen Mirren brilliert in der Titelrolle.

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Ruhiger, nachdenklicher und oft düsterer Film

Die ständige Zigarette in der Hand war eines der Markenzeichen der israelischen Ministerpräsidentin, die von 1969 bis 1974 regierte und aus einer Zeit stammte, als den Menschen noch andere Dinge wichtiger waren als die Gesundheit. In Israel sowieso, wo man seit Jahrzehnten täglich mit arabischem Terror und Angriffen der Nachbarländer rechnen muss. Dies ist ein ruhiger, nachdenklicher und oft düsterer Film.

Filmstill
Im Oktober 1973 blickt die ganze Welt auf Israels Premierministerin Golda Meir. Nach dem Überraschungsangriff auf die Golanhöhen und die Sinai-Halbinsel durch Ägypten, Syrien und Jordanien liegt das Schicksal der Nation in ihren Händen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Von ihrem ausschließlich männlichen Kabinett wird Golda Meir mit strategischen Ratschlägen überschüttet. Golda Meir (Helen Mirren) und ihr Verteidigungsminister Moshe Dayan (Rami Heuberger). Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Gefangen zwischen dem Wunsch, Blutvergießen zu verhindern, und der politischen Verantwortung gegenüber Israel muss Golda Entscheidungen treffen, von denen nicht nur die Zukunft ihres Landes, sondern auch unzählige Menschenleben auf beiden Seiten abhängen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Henry Kissinger, war zur Zeit des Jom-Kippur-Krieges amerikanischer Außenminister und amerikanischer Jude. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Kissinger war Nixons Mitarbeiter, er kam nach Israel und Golda war fast wie eine Großmutter für ihn. Sie ging ihm unter die Haut, sprach mit ihm wie mit einem Freund, emfing ihn in ihrem eigenen Haus und servierte ihm Suppe. Bild in Detailansicht öffnen
Ausschnitt aus dem Film "Golda": Helen Mirren als Golda Meir steht an einem Schreibtisch und telefoniert
Golda Meir wusste als halbe Amerikanerin, wie man mit Amerikanern umgehen musste. Sie bekam von Kissinger immer, was sie wollte, in diesem Fall eine Lieferung von Flugzeugen. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
Lou Kaddar (Camille Cottin) war Goldas beste Freundin und kannte alle ihre Geheimnisse, auch ihre Krankheit. Sie begleitete sie zu ihren Behandlungen, brachte ihr Essen und Zigaretten und sie spielten zusammen Schach. Wenn Golda sich langweilte, rief sie Lou an, sie war alles für sie. Bild in Detailansicht öffnen
Filmstill
„Es ist der Krieg einer älteren Frau und der letzten Tage ihres Lebens. Sie versucht, ihren inneren Krieg zu überleben, den Krebs, der sie von innen auffrisst, während das Land so sehr unter einem Überraschungsangriff leidet.“ (Regisseur Guy Nattiv über seine Hauptfigur) Bild in Detailansicht öffnen

Im Oktober vor 50 Jahren

Regisseur Guy Nattiv erzählt von jenem Krieg im Nahen Osten, der vor den Angriffen des 7. Oktober vergangenen Jahres der für Israel am unerwartetsten und gefährlichsten war.

Ebenfalls ein Angriff aus heiterem Himmel, ebenfalls im Herbst eines Jahres, genau vor 50 Jahren: Im Oktober 1973 begann der „Jom-Kippur-Krieg“, ein massiver arabischer Angriffskrieg, als Ägypten und Syrien koordiniert in Israels Süden wie Norden gleichzeitig einmarschierten.

Der „Yom-Kippur-Krieg“ aus Sicht der israelischen Ministerpräsidentin

Der Film von Guy Nattiv schildert die nun folgenden Tage aus Sicht von Golda Meir, die sich hinter verschlossenen Türen mit den Chefs von Militär und Geheimdienst bespricht, um diesen Überraschungsangriff zu stoppen.

Der Regisseur verweigert sich möglichen psychologischen Komponenten und beschränkt sich auf den Horizont der Handlungen: militärstrategische Dialoge, diplomatische Gespräche mit US-Außenminister Henry Kissinger, abgehörtem Funkverkehr, Telefonate zur Unterdrückung steigender Spannungen und Friedensverhandlungen als Konfliktlösung.

Filmstill
Von ihrem ausschließlich männlichen Kabinett wird Golda Meir mit strategischen Ratschlägen überschüttet. Golda Meir (Helen Mirren) und ihr Verteidigungsminister Moshe Dayan (Rami Heuberger).

Regisseur Guy Nattiv zeigt Golda Meir als Frau mit natürlicher Autorität

Die Charaktere entwickeln sich kaum. Beides ist kein Wunder, weil es um eine Handlung geht, die kaum drei Wochen umfasst.

Helen Mirren erreicht es, Meirs schillernde Persönlichkeit mit einer gewissen Glaubwürdigkeit zu versehen, indem sie sie als charaktervolle, immerfort Zigaretten durch die Luft schwingende Frau spielt, die ohne im klassischen Sinn emanzipiert zu sein, nie ernsthafte Probleme damit hat, in einem von Männern dominierten Raum ihre Autorität deutlich zu machen.

Helen Mirren sieht der echten Golda Meir zum Verwechseln ähnlich

Mirren ist mit Hilfe der im Frühjahr oscarnominierten Maske der echten Golda Meir tatsächlich aus dem Gesicht geschnitten. Ihre Schauspielkunst liegt in Gang und Gesten und Bewegungen und damit darin, unter der zentimeterdicken Maske doch noch Nuancen erkennbar zu machen.

Zu den besten Momenten gehören die Gespräche mit US-Außenminister Kissinger, der von Liev Schreiber gespielt wird. Dessen kühl-realistische Pendeldiplomatie beendete nicht nur den Krieg, sondern führte auch zu den hoffnungsvollsten Epochen im Nahen Osten, als nämlich der Friedensschluss zwischen Israel und Ägypten einige Zeit lang eine grundsätzliche Befriedung der Situation möglich erscheinen ließ.

Trailer „Gold“, seit 30.5. im Kino

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Rüdiger Suchsland