„Shahid“ beginnt mit einer Traumsequenz im Musicalstil, dann wird der Film zu einer wilden Mischung aus magischem Realismus, comic-artiger iranischer Geschichtentradition, Film-im-Film-Drama und schließlich einer Farce über deutsche Bürokratie.
„Shahid“ bedeutet Märtyrer
Der Geist des Großvaters besucht Narges Shahid Kalhor und erzählt ihr von der ruhmreichen Geschichte einer Familie von islamischen Kämpfern und Kriegern.
Die Eröffnungsszene erzählt in poetischen Bildern und in Zeitlupe von Narges Obsessionen: Tänzerinnen und Tänzer in schwarzen Gewändern erscheinen nicht nur in ihren Träumen, sondern umgeben sie und folgen ihr auf Schritt und Tritt, selbst wenn sie das Haus verlässt.
Narges Shahid Kalhor möchte ihren Namen loswerden
Sie sind die Verkörperung der Märtyrerhelden, die sie im Namen ihrer Vorfahren verfolgen, bis hin zu den Ämtern der bayerischen Stadtverwaltung.
An dieser Stelle wird eine lange Liste in Druckbuchstaben auf den Bildschirm getippt: Das sind die Bescheinigungen, die benötigt werden, um einen bürokratischen Prozess in Bayern zu beginnen. Denn die Hauptfigur, die mit der Regisseurin nicht zufällig Ähnlichkeiten verbinden, will den Namen „Shahid“ loswerden.
Märtyrer trifft auf die bayerische Bürokratie
Was bedeutet es für ein junge Frau, sich von ihrer Tradition zu lösen? Auf welche Seite sollten wir in den Demokratien des Westens uns stellen? Sollen wir im Namen kultureller Identität, so wie wir sie verstehen, und im Namen von postkolonialen Gewissensbissen die Freiheit des Einzelnen und die Freiheit der heute lebenden Frauen einschränken?
Zwischen Realität und Fiktion, mit Elementen von Theater, Film und Musical spielend, ist „Shahid“ trotz der Komplexität seiner Thematik und Umsetzung ein unterhaltsamer Film, der, ohne je in Didaktik zu verfallen, viele Denkanstöße bietet.
Darüber hinaus untersucht er mit Selbstironie die Schatten der Geschichte, die sich sehr oft hinter einem einfachen Namen verbergen.
„Shahid“: Eine echte subversiv-kritische Komödie
Mit anderen Worten: Dies ist wirklich einmal der Fall einer deutschen Komödie, die das Wort subversiv und kritisch verdient. Einer Komödie, die nicht einverstanden ist mit dem Bestehenden, die weder konservative Familienideale propagiert, die mit der gelebten Wirklichkeit schon längst nichts mehr zu tun haben, noch naive Idealbilder von Diversität und Multikulti.
Ein Film gegen die Lebenslügen einer Gesellschaft
Diese Regisseurin weiß, worin die böse Macht der Traditionen liegt und was die Unterdrückung von Frauen durch Väter wie Mütter bedeutet.
Auf gelassene, ironische, sehr souveräne Art macht sich dieser Film über die deutsche Bürokratie lustig. Wenn es um die Lebensverhältnisse im Iran und um die Tradition des Islam geht, dann ist die Regisseurin verständlicherweise viel weniger gelassen. Ein Film gegen die Lebenslügen einer Gesellschaft, die immer noch keine Einwanderungsgesellschaft sein will, obwohl sie dies längst ist.
Trailer „Shahid“, ab 1.8. im Kino
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