Freies Theaterkollektiv mit Sitz in der Südpfalz
Freie Theater haben's schwer in der Kulturlandschaft, viele Projekte sind kurzlebig und scheitern oft an der Finanzierung. Seit 40 Jahren behauptet sich dagegen das professionelle Theaterkollektiv Chawwerusch. Das liebe Geld ist aber auch hier ein Dauerthema, das gerade wieder einmal akut ist.
Gestartet 1984 im Odenwald als politisches Wandertheater, hat die Truppe heute ihre Heimat in Herxheim bei Landau in der Pfalz – inklusive eigener Spielstätte.
Gespräch Geschichten erzählen und einmischen – Monika Kleebauer und das Chawwerusch Theater in Herxheim
Monika Kleebauer ist Gründungsmitglied und Geschäftsführerin des Chawwerusch Theaters, das regionale Geschichte erlebbar macht und auch unbequeme Geschichten auf die Bühne bringt.
Gründungsmitglied und Schauspielerin Monika Kleebauer, damals frisch aus dem Studium in Tübingen gekommen, erinnert sich an die wilden Achtziger: „Ich wollte politische Arbeit machen, aber eben auch so, dass sie bei den Leuten ankommt und dass sie mir auch Spaß macht.“ Das Ergebnis: Chawwerusch.
„Chawwerusch heißt eine Bande, die sich zusammentut, um einen Überfall zu landen und dann wieder auseinandergeht. Und so war am Anfang auch unser Projekt gedacht. Wir sind aus ganz verschiedenen Regionen gekommen und wollten Theater machen“, sagt Kleebauer. Nur dass Chawwerusch nicht mehr auseinanderging.
Die Anfänge: Neugierde und Gegenwind
Zu Fuß, mit Handkarren und Pferden zieht das Kollektiv los, so der Gründungsmythos. „Wir sind von Ort zur Ort gezogen und haben gespielt, sind dann bis nachts zusammengesessen, haben Musik gemacht, bis zwei, drei Uhr und haben dann wieder weitergeprobt“, so die Schauspielerin.
Inzwischen ist Chawwerusch sesshaft geworden, weniger wild – zumindest abseits der Bühne. Von Herxheim bei Landau aus zieht das Theater immer noch los auf Tourneen. Fixpunkt ist aber ein ehemaliger Tanzsaal, der zur eigenen Spielstätte wurde.
In den ersten Jahren gab es einerseits Neugierde auf die Arbeit der Theatergruppe, vor allem der Jugend. Doch es gab auch Gegenwind: „Wir waren schon die Fremden hier im Ort“, erinnert sich Kleebauer. „Es gab natürlich auch sowas, dass plötzlich die Polizei hier stand, weil jemand angerufen hatte: Hier wäre ein abseitiges Theater.“
Typisch Chawwerusch: Theater für und mit dem Publikum
Doch Kleebauer und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter gewinnen die Bevölkerung für sich – mit etwas, das heute typisch Chawwerusch ist.
Mit Bürgertheater-Projekten findet die Gruppe einen Zugang zu den Menschen in der Region und es entstehen gemeinsame Stücke. „Wir haben vorher Interviews geführt mit den Leuten, daraus haben wir dann Theater gemacht. Wir waren die Regisseure, die Autorinnen – und die Leute haben ihre eigene Geschichte gespielt.“
Zum Beispiel beim Stationentheater zu runden Jubiläen wie in Landau, Kirrweiler oder Herxheim. „Dadurch haben die Leute gesehen: Wir sind interessiert am Ort, an der Geschichte, wir geben auch wieder was zurück. Und wir können arbeiten“, sagt Kleebauer heute.
Das Motto: „Komisch, tragisch, herzlich!“
Beim Theaterkollektiv sind die sieben festen Ensemblemitglieder nicht nur Schauspielerin und Schauspieler, sondern auch Produktionsleitung, Geschäftsführung und künstlerische Leitung. Alles wird gemeinsam entschieden. Neben dem Ensemble gibt es noch Gäste auf der Bühne, bei der Regie sowie ein festes Team in Verwaltung, Theaterpädagogik und Technik.
„Hier müssen viele Leute viele Dinge gleichzeitig tun. Das ist manchmal anstrengend und dann auch belastend. Aber alle arbeiten gemeinsam, jeder weiß, warum man es macht“, sagt Susanne Schmelcher. Die Regisseurin inszeniert sonst an großen Bühnen, kommt aber für den besonderen Chawwerusch-Geist immer wieder als Gastregisseurin in die Pfalz.
Generationenwechsel und soziale Projekte
Damit dieser erhalten bleibt und weitergetragen wird, hat das Theater für Kinder und Jugendliche die „Expedition Chawwerusch“ mit einem eigenen Programm und den wöchentlichen Jugendclub „Theaterscouts“ gegründet. Diese Produktionen widmen sich aktuellen gesellschaftlichen Themen wie dem Gendern. Eine Theaterpädagogin bietet zudem Workshops an Schulen an.
„Kein hippes, wokes Theater“
Da auch die wildesten Theatermenschen einmal älter werden, ist bei Chawwerusch inzwischen ein Generationenwechsel in Gang. Langjährige Mitglieder gehen in den Ruhestand, neue sind dazugekommen. Was geblieben ist: kritisches Volkstheater mit Sinn für das Komödiantische.
„Wir sind uns und unserem Stil immer sehr treu geblieben“, sagt Schauspielerin Felix S. Felix. „Wir haben uns nie dafür geschämt, dass wir kein hippes, wokes Theater machen. Weil wir Theater für die Leute hier in der Region machen wollen.“
Sie selbst ist seit 1984 dabei und steht zum Jubiläumsjahr in einer Neufassung von „Don Quijote“, nach dem Roman von Miguel de Cervantes, auf der Bühne. Geschrieben hat die Fassung das jüngste Ensemblemitglied: der 38-jährige Danilo Fioriti.
Selbstausbeutung und Finanzierung: So geht es weiter
Doch die Zukunft ist noch längst nicht gesichert. „Selbstausbeutung, keine Alterssicherung, die nächsten Generationen können das nicht mehr so machen, wie wir“, sagt Ensemblemitglied Monika Kleebauer. „Ich bin jetzt Mitte 60. Wir wissen, wie wenig Rente wir bekommen. Da kriegt man keine Menschen mehr, die Theater so weitermachen."
Um das zu ändern, arbeitet Chawwerusch daran, für die Zukunft weitere Förderungen aus öffentlicher Hand zu bekommen, die eine angemessene Bezahlung des künstlerischen Personals und sozialverträgliche Absicherung ermöglicht. Im Moment sei man mit dem Land Rheinland-Pfalz dazu in intensiven Gesprächen. Das Ensemble hofft, dass sich dies im kommenden Doppelhaushalt des Landes niederschlägt.
Ab Ende Juni geht das Chawwerusch-Theater mit „Don Quijote“ auf Tournee. Und bleibt so den Wurzeln als Wandertheater auch nach 40 Jahren treu.