Einen karierten Pullunder und einen Schnurrbart – mehr braucht Anne Müller am Staatstheater Karlsruhe nicht, um in die Rolle des gequälten Schauspielschülers Joachim Meyerhoff zu schlüpfen. Der hat seinen Roman früher selbst auf der Bühne performt. In Karlsruhe hat Anne Müller mit dem Solo-Stück ihre Paraderolle gefunden. Standing Ovations vom Premierenpublikum!
Deshalb lohnt sich der Besuch:
Großartig wie die Schauspielerin fast zwei Stunden lang ganz allein die Bühne rockt! Ein Theaterabend übers Theater, ein Schauspieler-Stück. Joachim Meyerhoff hat diesen Text früher selbst auf der Bühne performt.
Regisseur Jan Bosse hat daraus jetzt eine Parade-Rolle für Anne Müller gemacht. Die zieht in Karlsruhe alle Register und schafft ganz nebenbei das Kunststück, dass es an diesem Abend überhaupt keine Rolle spielt, dass sie als Frau einen Mann mimt.
Besonders die komödiantischen und anrührenden Szenen mit Meyerhoffs Großeltern, bei denen dieser der Schauspielschüler während seiner Ausbildung wohnte, gehören zu den Highlights des Abends.
Darum geht’s:
In seinem Buch „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ hat Joachim Meyerhoff beschrieben, wie er auf der Otto-Falckenberg-Schule in München sein Handwerk gelernt hat – eine Zeit voller Qual, Druck und Selbstzweifel.
Der Druck auf die wenigen Auserwählten auf der Schauspielschule war groß, erzählt Meyerhoff in seinem Buch und die Methoden hart – oft genug auch skurril. Zum Beispiel wenn sie Effi Briest aus der Sicht eines Nilpferds spielen sollten.
In der Schule wird von ihm ständig gefordert, an sich selbst zu arbeiten, das Innerste nach außen zu kehren, ganz bei sich zu sein – authentisch. Doch nie scheint es den Lehrenden gut genug zu sein.
Joachim Meyerhoff
Gespräch Joachim Meyerhoff – Hamster im hinteren Stromgebiet
Joachim Meyerhoff erweist sich einmal mehr als Meister zwischen schreiender Komik und tiefer Traurigkeit. Im fünften Band seines Zyklus „Alle Toten fliegen hoch“ verarbeitet er den eigenen Schlaganfall, den der Theater-Schauspieler vor zwei Jahren erlitt.
Im Gespräch mit Anja Höfer erklärt er, warum es ihm so wichtig ist, gegen die Krankheit anzuschreiben und ihr auch komische Seiten abzugewinnen.
Kiepenheuer & Witsch Verlag, 307 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-462-00024-5