Donaueschinger Musiktage 2023

Vorbericht zu den Klanginstallationen

Stand
Autor/in
Karsten Umlauf

Die Donaueschinger Musiktage beginnen am 20.10. mit dem ersten Orchesterkonzert. Traditionell gehören aber die ersten Klänge, die in Donaueschingen zu hören sind, den Klanginstallationen: Mischformen aus Kunst und Musik, Skulptur und Sound, die man an verschiedenen Orten und Räumen in Donaueschingen besuchen und kostenlos erleben kann.

„Tote Pflanzen klingen besser als lebendige“

Auf dem Boden der fürstlichen Orangerie in Donaueschingen liegt ein vertrockneter Halm einer Maispflanze und zittert. Der knapp 2 Meter lange Stängel steckt dabei seine gelb braunen Blätter dekorativ in alle Richtungen. Vorne und hinten ist er mit einer Schnur an flache Steine gebunden und an einen kleinen Motor, der die Schnur bewegt und damit auch den Mais zum Rascheln bringt.

Das Künstlerduo Pierre Berthet und Rie Nakajima haben den Mais auf dem Weg nach Donaueschingen am Straßenrand gefunden und sofort in ihr Projekt „Dead Plants and living objects“ integriert. Tote Pflanzen klingen besser als lebendige sagen sie.

 

Klanginstallationen bei den Donaueschinger Musiktagen 2023
Die Zusammenarbeit von Rie Nakajima & Pierre Berthet trägt den Titel „Dead Plants & Living Objects“ und ist in der Orangerie zu finden.

Das Duo, das seit ein paar Jahren zusammen arbeitet, ist spürbar von der Fluxus und der Art-Brut-Bewegung beeinflusst. Klang und optische Gebilde sind oftmals mit einem Augenzwinkern verbunden.

Dröhnende Ballons

Ein Stockwerk höher ist man bei der Installation „Light Orange Intervention“ von Raul Keller aufgefordert, sich zu bewegen. In jedem Raum hängen bzw. „stehen“ zwei bis drei dicke Ballons, die mit Helium gefüllt sind. Durch die gelblichen Fenster der Orangerie in warmes Licht getaucht.

Über eine Schnur sind sie mit einem Minilautsprecher verbunden, der sie am Wegfliegen hindert. Der estnische Komponist Raul Keller hat die Ballons über diese Lautsprecher in sehr tiefe Schwingung versetzt, was direkt unter dem Ballon richtig laut dröhnt. In der Bewegung von Raum zu Raum ergibt sich eine wunderbar schwebende, auch körperlich subtil spürbare Klangkomposition.

Klanginstallationen bei den Donaueschinger Musiktagen 2023
Raul Keller präsentiert seine Projekt „Light Orange Intervention“ in der Orangerie.

Live-Übertragung der Sounds

Das visuell und auch von der Gesamtkonzeption wohl anspruchsvollste Werk „The Agonists“ der US-Amerikanerin Marina Rosenfeld befindet sich im Museum Art.Plus in direkter Nachbarschaft der Orangerie.

Auf dem Boden blickt man auf ein Arrangement von rechteckigen Schaumstoffplatten, farbige Poster, bedruckte Papiere mit Bildfragmenten. Darauf verteilt liegen Mikrofone, die die Bewegung oder Geräusche im Raum aufnehmen und live in Sounds umwandeln.

Klanginstallation ArtPlus von Marina Rosenfeld bei den Donaueschinger Musiktagen 2023
Die Besucher:innen von Marina Rosenfelds „The Agonists“ sind Teil des Programms: ihre Geräusche werden zum Soundtrack der Schaumstoffplatten und Poster.

Im Nebenraum hängt ein bedruckter Seidenvorhang, der über eine Stehleiter drapiert wurde. Für die Künstlerin ist es eine Auseinandersetzung mit früheren Werken. Visuelle und akustische Spuren, mit denen die Betrachtenden in Verbindung treten können.

 

Klanginstallation The Agonists von Marina Rosenfeld bei den Donaueschinger Musiktagen 2023
Pigmenbedrucktes Seidentuch in Marina Rosenfelds Installation „The Agonists“. Zu sehen vom 19.10. – 05.11.2023 im Museum ArtPlus.

Dunkelkammer & Idylle

Vom Museum sind es dann durch den beschaulichen Schlosspark nur ein paar Meter bis zum Fischhaus, gelegen direkt an der Brigach, neben Kiesweg, Laubbäumen und Enten.

Ryoko Akama kontrastiert die Idylle mit lauten Noise-Tönen. Ihre Idee geht von der Dunkelkammer aus. Der schmucklose Raum mit rohem Estrich, der von außen an einen kleinen Tempel erinnert ist aber vom Tageslicht erhellt.

Zwei Schalen zur Fotoentwicklung stehen links und rechts, Fotos sind an den Wänden auf Schnüre geklemmt, sie zeigen immer den gleichen Bildausschnitt: Die Hand ihres Vaters, kurz bevor er starb. Es handelt sich aber um Fehlversuche, Bilder, die im Fotolabor nicht fixiert wurden.

Klanginstallationen bei den Donaueschinger Musiktagen 2023
Die japanische Klangkünstlerin Ryoko Akama verbindet die poetische Klangwelt mit analoger Fotografie im Fischhaus bei den Donaueschinger Musiktagen 2023.

Existenzielle Fragen bei Ryoko Akama

Ein Raum als Schrein für verblassende Erinnerung und zur Reflexion der eigenen Familiengeschichte als Kind eines koreanischen Immigranten in Japan. Zu hören sind Feedbackschleifen eines Hörgeräts, die Stimme ihres Vaters.

Ringsherum bewegen Ventilatoren flatternde bunte Bänder wie beitraditionellen Abschiedsszenarien. Da erzählt eine Klanginstallation dann plötzlich eine ganze Lebensgeschichte. Wer sich darauf einlässt, wird vielleicht sogar selbst wie die Künstlerin Ryoko Akama auf ganz existenzielle Fragen geworfen.

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Karsten Umlauf