1887 erfindet der Hannoveraner Ingenieur Emil Berliner die Schallplatte – und kurz darauf gibt es die ersten Schallplattenmillionäre. Vor allem zwei Musiker ragen heraus: Der italienische Tenor Enrico Caruso und der Wiener Geiger Fritz Kreisler. Am 2. Februar 1875, also vor 150 Jahren, wird er geboren.
Ein bescheidenes Talent
Wer auf Flohmärkten unterwegs ist, der findet – oft vergraben – eine schwere schwarze Schellackplatte. Auf dem Etikett der typische Hund vor dem Trichter. Auf der einen Seite steht auf dem Etikett „Liebesfreud“ und auf der anderen „Liebesleid“. Darunter groß der Name des Geigers Fritz Kreisler.
Die Schallplatte wurde 1910 eingespielt. Es war die erste Aufnahme, die Fritz Kreisler von diesen beiden Stücken gemacht hat. Angeblich, so behauptete er damals, hat er sie in alten Wiener Tanzbüchern gefunden. Doch inzwischen weiß man, das sie aus seiner Feder stammen. So wie auch das ebenso bekannte Stück „Schön Rosmarin“. Der Grund der Falschbehauptung: Seine Bescheidenheit.
Die Musik hat, ich glaube, rein objektiv betrachtet, auf mein Leben keinen anderen Einfluss gehabt wie auf das Leben aller anderen Menschen.
Doch trotz der Bescheidenheit war der Sohn eines Wiener Arztes das, was man damals ein „Wunderkind“ genannt hat. Er wurde nämlich mit 11 Jahren auf das Konservatorium der Musikfreunde aufgenommen, als jüngster Student in der Geschichte dieser Institution. So begann eine nicht aufzuhaltende Karriere, die ihn durch die Konzertsäle der Welt führte – und die ihren Niederschlag auf Millionen von Schallplatten fand.
Die ersten Studiogeigen
Als Fritz Kreisler 1910 in den „Aufnahmeraum“ ging, wie ein Tonstudio damals genannt wurde, spielte er ein besonderes Instrument, eine sogenannte „Strohgeige“. Johannes Stroh, einem Ingenieur aus Frankfurt am Main war es gelungen, mittels eines angebauten Trichters den Klang der Violine mechanisch zu verstärken.
![Strohgeige (Foto: Studiensammlung Musikinstrumente & Medien der Universität Würzburg | Oliver Wiener) Strohgeige](/swrkultur/musik-klassik/1738149335245%2Cmultimillionaer-dank-schallplatte-der-geiger-fritz-kreisler-104~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Der Dirigent Arthur Nikisch verwendete diese Instrumente bei der ersten Schallplattenaufnahme von Beethovens Fünfter Sinfonie mit den Berliner Philharmonikern. Wahrscheinlich hat er sie Fritz Kreisler für dessen Aufnahmen seiner angeblichen „Alt-Wiener Tanzweisen“ empfohlen.
Multimimillionär dank Massenmedium Schallplatte
Fritz Kreisler hatte eine enorme Bühnenpräsenz. Und er schaffte es, mit seinem prägnanten und tiefgründigen Ton auf der Violine die Zuhörerinnen und Zuhörer im Konzertsaal individuell anzusprechen. Das ist wohl das Geheimnis, das ihn schon zu Lebzeiten zu einer Legende machte.
Dank der Strohgeige war Kreislers Klangprägnanz schon 1910 auf Schallplatte deutlich zu vernehmen. Mitte der 1920er Jahre verdiente er allein durch seine Aufnahmen mehr als 175 000 US-Dollar im Jahr, nach heutigen Maßstäben etwa 3 Mio Dollar! So konnte er sich in Berlin eine großzügige Villa leisten.
Ein Freund Bruckners, Brahms und vieler anderer
Hört man Kreislers Schallplatten heute, dann sprechen durch ihn auch jene musikalischen Persönlichkeiten zu uns, mit denen er persönlich verbunden war und die ihn geprägt haben.
Um nur einige zu nennen: Anton Bruckner, Johannes Brahms, Joseph Joachim, Anton Rubinstein, Eugène Ysaÿe.
Fritz Kreisler, der als Jude im nationalsozialistischen Deutschland Auftrittsverbot hatte, emigrierte 1939 nach New York, gerade noch rechtzeitig. Er kehrte nie wieder nach Europa zurück. In den USA konnte er seine Karriere fortsetzen, 1950 gab er dort sein letztes öffentliches Konzert. In einem Interview aus Anlass seines 80. Geburtstages wandte er sich an sein deutschsprachiges Publikum.
Zum Schluss möchte ich noch den Wunsch aussprechen, dass auch Ihr Leben durch das Walten und Schaffen Ihrer Künstler so bereichert werde, als es das Meinige war!
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Als "Streichquartett-Guru" wurde er zum befreundeten Mentor renommierter Ensembles. Als lebende Legende unterrichtet er auch heute mit über 80 noch, wobei es ihm darum geht, den Studierenden zur Selbstreflexion zu verhelfen. Intuition und Intellekt sollen beim Musizieren am Ende zusammenkommen.