Gerald Murnane ist ein Star, den kaum jemand kennt. Seine Bücher sind komplex, schwer zugänglich. Er selbst, 1939 in Melbourne geboren, hat sein gesamtes Leben im australischen Bundesstaat Victoria verbracht, liest keine E-Mails, hat eine Schwäche für Pferderennen und noch nie in seinem Leben ein Flugzeug bestiegen. Verehrt wird er auch von einer Generation jüngerer Autoren wie Teju Cole oder Ben Lerner. „Inland“, so heißt der Text auch im Original, ist erstmals 1988 erschienen.
Kein geringerer als der südafrikanische Nobelpreisträger J.M. Coetzee, nicht bekannt als Zulieferer billiger Blurbs, attestiert dem Buch, es sei „das ambitionierteste, weitläufigste und kraftvollste Werk“, das Murnane bislang geschrieben habe.
„Inland“ besteht aus zwei großen Teilen. Im ersten sitzt ein ungarischer Edelmann in einer Bibliothek eines Herrenhauses und schreibt. Die Adressatin seiner Aufzeichnungen ist seine Lektorin, die sich wiederum im US-Bundesstaat South Dakota befindet und auf seinen Text wartet. Doch dieser ungarische Adlige geht, man muss es so ausdrücken, dem Text selbst nach und nach verloren; stattdessen schieben sich im zweiten Teil dann Erinnerungsbruchstücke an eine australische Kindheit in den Vordergrund.
Das Inland, das hier ausgestaltet wird, ist gemäß der Erkenntnis, dass jede Sache auf dieser Welt mindestens zwei Sachen auf der Welt seien (und jeder Text mehr als nur ein einziger Text), ein doppelbödiger Begriff und ein Terrain, das sowohl die Beobachtung der äußeren wie der inneren Zustände verbalisiert.
Inspiriert ist „Inland“, wie Murnane selbst erzählte, von seiner Lektüre eines Buchs des ungarischen Schriftstellers Gyula Illyés. Die meisten Dinge, so schreibt der Autor in seinem Nachwort zur Neuausgabe, die die Leser verwirrt hätten, seien im Text erklärt. Alles gar nicht so schwer also.