Gespräch

Antisemitismus in der Literatur: Bernardo Zannonis Debüt voller Stereotype

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Kristine Hartauer

„Man hat versucht, das Buch in der deutschen Übersetzung reinzuwaschen“, stellt Karen Krüger fest. Sie berichtet für die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus Italien – und spricht über den weltweit übersetzten und mehrfach ausgezeichneten Debütroman des italienischen Autors Bernardo Zannoni. Sein Buch „Mein erstaunlicher Hang zu Fehltritten“ klingt wie eine Fabel, ist aber voller antisemitischer Stereotype.

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Voll mit antisemitischen Stereotypen

Der Roman spielt in einer vermenschlichten Tierwelt, in der einige Figuren jüdische Namen tragen. So heißt beispielsweise der Fuchs, ein Wucherer, Solomon. Er versucht Archy, einem Steinmarder, Gott und die jüdische Bibel näher zu bringen. In der deutschen Übersetzung wurden an diesen Passagen Veränderungen vorgenommen, so Krüger: „Aber das wurde überhaupt nicht transparent gemacht“.

So heißt der Fuchs in der deutschen Ausgabe Fëdor und ist ein Pfandleiher und kein Wucherer. Er sei kein netter Charakter, erklärt Krüger, sondern „er entspricht dem antisemitischen Stereotyp, das auch vom Nationalsozialismus bedient wurde“.

Bernardo Zannoni reagiert überrascht auf Vorwürfe

In Italien habe dieser Roman keine Debatte ausgelöst, berichtet Krüger. Stattdessen wurde er mit einem renommierten Preis ausgezeichnet. Bernardo Zannoni werde mit Schriftstellern wie Orwell oder Camus verglichen. Auf die antisemitischen Stereotype im Buch habe erst die jüdische Gemeinde Roms aufmerksam gemacht.

Darauf reagierte Zannoni ziemlich überrascht, erzählt Krüger: „Er hat sich entschuldigt und gesagt, dass er das Judentum sehr schätze“. Ob der Autor ehrlich sei, lasse sich schwer beurteilen. Fest steht: Sein Debüt erhält international viel Resonanz. Karen Krüger aber findet es skandalös, „dass dieses Buch so verbreitet wird, wie es ist: nämlich voller antisemitischer Stereotype.“

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