Daumier ist vor allem als scharfzüngiger Karikaturist und brillanter Lithograf in Erinnerung geblieben. Doch Daumier ist für die klassische Moderne in Frankreich ein enorm einflussreicher Künstler. „Daumier ist zuallererst ein politischer Künstler“, sagt Astrid Reuter, Leiterin der graphischen Sammlung bis 1800 am Frankfurter Städel. Und als solchen zeigt ihn dort nun auch eine neue Ausstellung.
Karikaturist und Künstler
120 Zeichnungen hat Reuter ausgewählt. Mit dabei auch das letzte Blatt, das Daumier veröffentlicht hat. „Es zeigt die verstorbene Monarchie im Sarg liegend. Das ist wie eine Vollendung seines Schaffens.“
Im Frankreich des 19. Jahrhunderts hatte Daumier als Karikaturist und Künstler mehr als genug Material. Das Ende der Monarchie in der Februarrevolution wie auch die Rückkehr des Königs, Meinungs- und Pressefreiheit, der Aufstieg des Bürgertums: Mit all diesen Themen hat Honoré Daumier sich beschäftigt. So bissig, dass er dafür sogar kurzzeitig ins Gefängnis musste.
Vervielfältigung durch lithografisches Verfahren
Aber auch technisch habe Daumier Maßstäbe gesetzt, betont Astrid Reuter. Das damals relativ neue Verfahren der Lithografie wusste er für sich zu nutzen. „Er konnte mit der Kreide, dem Pinsel oder der Feder unmittelbar auf den Stein zeichnen. Der Stein geht unmittelbar zurück in die Druckerei und wird dort für den Druck vorbereitet.“
Ein für die damals boomende Presselandschaft revolutionäres Verfahren, das schnelle und massenhafte Vervielfältigung möglich machte. Doch genau das ist auch der Grund dafür, dass Daumier heute vor allem als Karikaturist in Erinnerung geblieben ist.
Van Gogh, Cézanne und Degas schätzten Daumiers Arbeiten
„Karikatur oder Künstler, das ist für uns immer noch ein Gegensatz“, bedauert Reuter. Man müsse Daumier von der Karikatur, dem Journalismus und der Lithografie befreien, schrieb bereits ein Zeitgenosse. Erst dann könne man ihn als Künstler schätzen.
Denn Daumier war nicht nur politischer Zeichner, sondern auch ein für die Zeit insgesamt prägender Künstler. Selbst van Gogh, Cézanne und Degas schätzten seinen Sinn für Komposition, sagt Reuter. „Man tut gut daran, die zeithistorischen Hintergründe auch mal auszublenden und sie als künstlerische Werke zu betrachten.“