In den Botanischen Gärten wurden seit dem 19. Jahrhundert Pflanzen aus den Kolonien gezogen, um sie zu erforschen und profitbringend anzubauen – zum Beispiel die Kola-Pflanze, die in Westafrika eine große Bedeutung hat. Die Stuttgarter Künstlerin Astrid S. Klein und Partnerinnen aus Kamerun haben Kola-Pflanzen nach Kamerun zurückgeführt.
Der Samenkern des Kolabaums – seit Jahrhunderten ein Genussmittel
Rot saftig leuchtet er, der Samenkern des Kolabaums – die sogenannte Kolanuss. In westafrikanischen Kulturen ist sie schon seit Jahrhunderten ein Genussmittel, das bei vielen Ritualen und Zeremonien wichtig ist.
Kolapflanze aus dem Tropenhaus der Uni Hohenheim
Wie so viele Pflanzen kam der Kolabaum in der Kolonialzeit auch nach Deutschland. Das systematische Sammeln und Bewahren tropischer Pflanzen in Botanischen Gärten ist durch den europäischen Kolonialismus und dessen Plantagenökonomie geprägt. Die Kolapflanze, mit der es Astrid S. Klein zu tun hatte, lebt heute im Tropenhaus der Universität Hohenheim.
Ihre Stecklinge haben sich dann in diesem Jahr nach langer Vorbereitungszeit im Rahmen des Projekts „Power of the Kola“ auf die Reise nach Kamerun gemacht – kein einfaches Unterfangen. „Die größte Pflanze war knapp drei Meter, die kleinste glaube ich 1,50 – also das war ein Riesenact“, erinnert sich Klein: „Ich weiß nicht, ob das schon jemand gemacht hat. Keine Transportfirma wollte das machen.“
Pflanzen via temperiertem Frachtflug nach Afrika
Am Ende reisen die Pflanzen ohne Erde in speziellen Verpackungen in einem temperierten Frachtflug. Ganz wichtig ist Astrid S Klein bei ihrem Projekt – die lebendigen Pflanzen werden nicht wie Objekte behandelt – sondern als Subjekte.
Die Nüsse sind nicht einfach ein Genussmittel: ihnen wohnt eine besondere kulturelle Bedeutung inne. In manchen Volksgruppen ist es üblich, die Nüsse als Geschenk an Gäste zu überreichen. Sie sind ein Symbol der Gastfreundschaft – den gemeinsamen Konsum kann man mit dem Rauchen der Friedenspfeife vergleichen.
Kola-Nuss als Gastgeschenk oder Friedensstifterin
Bäume in Kamerun in einem aufwendigen Ritual eingepflanzt
Klein war überwältigt, mit welchem Aufwand und Respekt die drei Bäume in Kamerun in Empfang genommen wurden. Sie wurden mit einem aufwendigen Ritual eingepflanzt. Dabei ging es auch um den Austausch von Wissen. Zwei der Bäume sind inzwischen erfolgreich angewachsen.
Die Bedeutung der Pflanzen in ihrer ursprünglichen Heimat hat Klein mit einem Hörstück dokumentiert. Darin erklärt auch ihr Partner in Kamerun, der Germanistikprofessor Albert Gouaffo von der Universität in Daschang, die kulturellen Unterschiede: „Die Deutschen sprechen von Objekten, weil sie sie so domestiziert haben, aber wir sehen nicht Objekte. Jedenfalls wird die diasporische Kolapflanze uns erzählen, was sie im Ausland entdeckt hat, und uns bereichern und sich selbst durch das bereichern, was sie vor Ort findet.“
Kola-Nuss war Namensgeberin von Erfrischungsgetränken
Die Kola Nuss wurde im Zuge der Kolonialisierung zur Herstellung von Erfrischungsgetränken wie Cola verwendet, mittlerweile sind aber die meisten Hersteller auf das deutlich billigere Koffein ausgewichen.
Jetzt sind diese Kola Pflanzen zurückgekehrt – die Kola-Nüsse sollen folgende Generationen ernten. Ihre kulturelle Bedeutung in Kamerun, die in Deutschland im Tropenhaus eigentlich keine Rolle spielte, steht für Astrid S. Klein sinnbildlich für das, was das Projekt für sie bedeutet: „Es geht um Restitution von Wissen, nicht um die Restitution von Besitz, um die Aktivierung einer möglichen neuen Ethik des Teilens und der gleichwertigen Verbindungen“
Restitution von kolonialem Raubgut
Gespräch Anne Haeming – Der gesammelte Joest. Biografie eines Ethnologen
Er bereiste die ganze Welt – und wo er hinkam, sammelte er gierig: Flechtkörbe auf Sulawesi, Perlengürtel in Mosambik und Paddel in Surinam. Kistenweise schickte der Ethnologe Wilhelm Joest (1852-1897) seine Sammlungen zurück nach Deutschland.
So gelangten die Exponate ins Ethnologische Museum in Berlin, dem heutigen Humboldt-Forum. Außerdem entstand eine Sammlung von 3.400 Objekten, die den Grundstock für das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln bildet.
Doch hat Wilhelm Joest nicht nur gesammelt, sondern auch geschrieben. Eine Auswahl seiner ethnologischen Texte ist nun unter dem Titel „Aus Indien nach Santa Cruz durch die Ethnologie“ erschienen. Die Texte spannen einen Bogen über Joests gesamtes Werk: vom allerersten Indien-Aufsatz über Reisebeschreibungen und wissenschaftliche Texte zu Indonesien, Japan, Afrika und Guyana bis hin zu seinen letzten Tagebuchaufzeichnungen von der Pazifikinsel Santa Cruz. Joest starb mit nur 45 Jahren schwerkrank auf See.
Zeitgleich hat die Wissenschaftlerin Anne Haeming mit „Der gesammelte Joest“ eine ungewöhnlich strukturierte und im Ton sehr kritische Biographie des Ethnologen vorgelegt. In jedem Kapitel orientiert sie sich an einem Exponat, das Joest von seinen Reisen mitgebracht hat, und sie fragt: Was verraten diese Dinge über den Mann, der sie gesammelt hat?
Hören Sie Anne Haeming im Gespräch mit SWR2-Literaturredakteurin Katharina Borchardt.
Anne Haeming - Der gesammelte Joest. Biografie eines Ethnologen
Matthes & Seitz Verlag, 303 Seiten, 25,00 Euro
ISBN 978-3-7518-0400-4
Anne Haeming (Hg.), Carl Deußen (Hg.) - Aus Indien nach Santa Cruz durch die Ethnologie
Matthes & Seitz Verlag, 255 Seiten, 28,00 Euro
ISBN 978-3-7518-0401-1
Buchkritik Bénédicte Savoy – Afrikas Kampf um seine Kunst
Sie gilt als kunsthistorisches Gewissen der Nation: Bénédicte Savoy will Raubkunst zurück nach Afrika bringen und erklärt, was das mit moderner Gesellschaftspolitik zu tun hat.
Rezension von Jochen Rack.
C.H. Beck Verlag, 256 Seiten, mit 16 Abbildungen, 24 Euro
ISBN: 978-3-406-76696-1