Frau Novak unterrichtet Ernährung an einem englischen Nobelinternat der Zukunft. Sie propagiert radikalen Verzicht bis hin zur Null-Diät. Der Film „Club Zero“ der Österreicherin Jessica Hausner wirft einen scharfen Blick auf unsere Obsession für „richtige“ Ernährung und zeichnet sich dabei durch besondere formale Konsequenz aus.
Miss Novaks neue Zöglinge stammen aus reichem Haus, die Verhältnisse sind elitär und ohne materielle Probleme. Die Kinder lernen nicht mehr Latein oder Französisch, sondern das hochchinesische Mandarin. Miss Novak ist allerdings für etwas anderes zuständig: Ernährungsunterricht. Sie propagiert eine neue Methode: „Bewusstes Essen“, eine radikal reduzierte Ernährung bis hin zur Null-Diät.
Ernährungsfragen sind im Autorenkino angekommen
Das Essen, unsere Essgewohnheiten und die merkwürdige Aufmerksamkeit, die wir nicht etwa Geschmacksfragen zuwenden, sondern Ernährungsthemen, wird nun auch Gegenstand des Autorenkinos. Dieser Film ist eine scharfe Gesellschafts-Satire, der unseren Trend zur Selbstoptimierung genauso kritisiert wie die Obsession moderner Gesellschaften für Ernährung, Gesundheit und Verzicht.
Essen als religiöse Handlung
Essen wird dabei zum Gegenstand von Kulturkämpfen. Essen wird zur Gesundheitshandlung, zum Versuch, der Gesellschaft etwas Gutes zu tun. Die Regisseurin macht sich dabei auch über den neuen Essens-Kitsch lustig, der über Ernährung so redet, als handle es sich um eine religiöse Handlung. Besonders sechs von Novaks Schülern werden ihre gläubigen Anhänger, sie entwickeln sich zu Essfanatikern und Überzeugungsrobotern, die – in Luxusklamotten gekleidet – zunehmend ganz aufs Essen verzichten. Als sie dann Essstörungen entwickeln und krank werden, sehen sie gerade darin den Beweis, „auf dem richtigen Weg“ zu sein.
Satire über die Leere der Wohlstandsgesellschaft
„Club Zero“ ist vor allem eine Satire über das – aus Sicht der Filmemacherin Jessica Hausner – wohldesignte, pastellfarbene, ökologisch korrekte und vollkommen leere Leben in den Wohlstandsgesellschaften. Es geht dabei auch um die weichen „Neuen Männer“, die plötzlich anfangen, mit Küchenschürzen herumzulaufen und den Haushalt zu übernehmen, und die harten „Neuen Frauen“, die plötzlich überall CEOs sind. Es ist also eine überspitzte Gesellschafts-Satire, kein realistisches Bild unserer Gegenwart, sondern eher eine satirische Hochrechnung auf die Zukunft. Und es ist eine Kritik an allen in sich selbst suhlenden, selbstgefälligen und abgehobenen neuen Mittelklasse-Materialisten, die sich für die moralisch besten Menschen der Welt halten.
Gute Nachricht für alle Eltern ernährungsfixierter Kinder
Zugleich enthält der Film eine beruhigende Nachricht für all jene Eltern, die unter dem Nahrungsfundamentalismus ihrer Kinder leiden: diese Kinder werden spätestens dann aufhören, Veganismus toll zu finden und Schweineschnitzel und Currywurst vom Biohof zu verschmähen, wenn ihre Eltern nur noch Gurkensuppen, Grünkernreis und Tofu-Schnitzel servieren. „Club Zero“ zeichnet sich durch besondere formale Konsequenz aus und durch einen scharfen Blick auf die inneren Widersprüche moderner Gesellschaften.
Trailer „Club Zero“, ab 28.3. im Kino
Mehr Kino bei SWR Kultur
Schmähbriefe in Schönschrift Tragikomödie „Kleine schmutzige Briefe“ erzählt von einer frauenfeindlichen Gesellschaft der 1920er
Die Tragikomödie „Kleine schmutzige Briefe“ erzählt nach wahren Begebenheiten von einem Skandal um Schmähbriefe, die Anfang der 1920er-Jahre ein englisches Städtchen in Atem hielten. Regisseurin Thea Sharrock zeichnet das Bild einer scheinheiligen und frauenfeindlichen Gesellschaft, unter deren Oberfläche es kräftig brodelt.
Filmkritik „Die Missetäter“ – Argentinisches Drama um Bankräuber und Doppelgänger
Der humorvolle Bankräuberfilm beginnt mit einem ungewöhnlichen Raub: Morán erleichtert die Bank um 600.000 Dollar, bei der er selbst leitender Angestellter ist. Er weiß, dass er gefasst wird, findet aber die kalkulierten dreieinhalb Jahre Gefängnis angenehmer als 25 Jahre langweiligen 9-to-5-Job in der Sparkasse . „Die Missetäter“ („Los delincuentes“) von Rodrigo Morenos war argentinischer Oscar-Kandidat 2024.