Der humorvolle Bankräuberfilm beginnt mit einem ungewöhnlichen Raub: Morán erleichtert die Bank um 600.000 Dollar, bei der er selbst leitender Angestellter ist. Er weiß, dass er gefasst wird, findet aber die kalkulierten dreieinhalb Jahre Gefängnis angenehmer als 25 Jahre langweiligen 9-to-5-Job in der Sparkasse.
Ausbruch aus dem Spießerleben der Genossenschaftsbank
Die Handlung dreht sich um einen Finanzbetrug: Die Hauptfigur Morán (gespielt von Daniel Elías) ist, so scheint es, ein ziemlich durchschnittlicher Mensch. Er lebt ein langweiliges Spießerleben. Tagsüber arbeitet er als Schatzmeister einer Genossenschaftsbank.
Eines Tages aber entfaltet er ungeahnt wilde Seiten: Da beobachten wir ihn, wie aus der Routine ausbricht. Er stiehlt mehr als 650.000 Dollar, und hat genau geplant, wie er die Mindeststrafe im Gefängnis verbüßen wird, um danach von den Früchten seines riskanten Unternehmens zu profitieren und nie wieder zu arbeiten.
Der Kollege wird zum Gehilfen
Er handelt allein, aber nachdem er das Geld gestohlen hat, zieht er seinen Kollegen Román (Esteban Bigliardi) hinzu, und erpresst ihn, das Geld an einem sicheren Ort aufzubewahren. Dafür soll er die Hälfte davon bekommen.
Mit dieser Geste erfindet Morán anstelle eines Komplizen einen Doppelgänger, der sein Leben als Bankangestellter weiter leben muss, während er in seiner Zelle die Zeit vergehen sieht. Wie sich herausstellt, sind die Dinge nicht so einfach, weder für Morán noch für Román.
Beginn wie bei einem „Safeknacker“-Film
Die erste Stunde, man könnte fast sagen, der gesamte erste Teil von „Die Missetäter“ ist ein Genrefilm, ein geradezu altmodischer „Safeknacker“-Film. „Altmodisch“ ist hier als Beschreibung der Absicht und der Grundidee des Regisseurs Rodrigo Moreno zu verstehen. Er will sein Publikum mit einer Intrige konfrontieren.
Entwicklung des Films entspricht der des Kinos
Diese Annäherung ans Genre ist nämlich nur ein Sprungbrett, um vom Genre des städtischen Kriminalfilms zur Abstraktion ländlicher Landschaften zu führen.
So gesehen ist „Los delincuentes“, wie der Film im argentinischen Original heißt, in drei Stunden so etwas wie eine Zusammenfassung der Entwicklung des Kinos selbst, vom Klassizismus zur Moderne. Das ist etwas, das auch in anderen argentinischen Filmen, in Laura Citarellas „Trenque Lauquen“ etwa, zu finden ist.
Utopisch-paradisisches Landleben im zweiten Teil
Im zweiten Teil stellt Regisseur Rodrigo Moreno der kafkaesken Welt aus Bürokratie, Verwaltung und institutioneller Macht, die in der Sparkasse und dem städtischen Leben dominiert, eine Gegenwelt gegenübe, die fast utopisch-paradisischen Charakter hat.
Denn bei einer Reise aufs Land, um das Geld in einem abgelegenen Teil der Provinz Córdoba zu verstecken, trifft Román auf eine Frau und eine alternativ lebende Gemeinschaft. In diese Frau Norma hat sich auch Morán verliebt. So leben die einen das Leben der anderen, so vermischen sich Namen und Schicksale und die jeweiligen Spielregeln. Alles nur ein Traum?
Es könnte auch alles ein Traum gewesen sein, weil vielleicht nichts so ist, wie es scheint, und das einzige Schicksal der Figuren des klassischen Kinos im narrativen Rahmen des modernen Kinos nichts anderes ist als das des bloßen Verschwindens, im Märchen, als ob sie wie bei Antonioni plötzlich von der Erde verschluckt worden wären.
Bankräuber-Plot und Doppelgängergeschichte
„Die Missetäter“ hat von Anfang an eine unerhörte Intensität, die uns im Publikum geschlagene drei Stunden lang an unseren Sessel schraubt und die Zeit vergessen lässt.
Ein Bankräuber- und Geldraub-Plot trifft sich mit einer Doppelgängergeschichte, mit einem Jean-Renoir-haften Realismus und mit Rohmer-Momenten. Das Ganze ist nicht lethargisch, sondern ruhig.
Spätestens am Ende des Films, und es ist ein Happy End, wird klar, worum es dem Regisseur geht: Um die Freiheit.
Trailer „Die Missetäter“, Kinostart am 21. März 2024
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